Winand Gellner - Medien im Wandel oder zum
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Mediensysteme von Staaten lassen sich nur verstehen, wenn
man sich die Bedeutung der öffentlichen Meinung als konstitutives
Element der gelebten Verfassung vergegenwärtigt. Ganz besonders
wichtig ist dies im Fall Großbritanniens mit seiner langen
Tradition ungeschriebener, nicht zuletzt durch Konventionen vermittelter
Regeln für die politischen Dinge. Der für das Land
so charakteristische evolutionäre Wandel im Mediengefüge
wird nur verständlich vor dem Hintergrund theoretischer
Uberlegungen zur Rolle der Medien in der politischen Ordnung
und im politischen Prozeß. Davon ausgehend werden im folgenden
die wichtigsten Entwicklungen und Zukunftsoptionen im britischen
Mediensystem beschrieben und anhand empirischer Daten analysiert.
Theoretische Vorüberlegungen oder zum
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Demokratische Verfassungsstaaten benötigen öffentliche
Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Nur eine funktionierende
Öffentlichkeit legitimiert repräsentatives politisches
Handeln. Es gibt indes keine gültige Theorie der öffentlichen
Meinung, genausowenig wie ein allgemein verbindliches Ordnungsmuster
für die Organisation dieses gesellschaftlichen Prozesses
existiert. Man wird allenfalls Übereinstimmung darüber
erzielen können, daß die Bürger eines Gemeinwesens
über die Äußerung öffentlicher Meinungen
am politischen Prozeß teilnehmen. Diese Teil-habe läßt
sich in direkter Form nur in vergleichsweise sehr kleinen politischen
Einheiten realisieren. Moderne Massendemokratien sind demnach
darauf angewiesen, daß die institutionellen Modalitäten
eine hinreichende Gewähr für einen demo-kratischen
öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß bieten.
Damit rücken die Medien als institutionelle Träger
der öffentlichen Meinung ins Blickfeld.
Kommunikationsmedien sind integraler Bestandteil der politischen
Kultur. Und zwar einer politischen Kultur, die sich nach einer
Unterscheidung von Karl Rohe als jeweils spezifische Konstellation
von »politischer Soziokultur« und »politischer
Deutungskultur« beschreiben läßt. Politische
Kultur besteht danach »also einmal aus undiskutierten Selbstverständlichkeiten,
die den latenten oder ruhenden Teil von politischer Kultur markieren;
sie besteht jedoch gleichzeitig aus kulturellen Diskussionen,
die eben diese Selbstverständlichkeiten wieder in Frage
stellen und gleichsam den manifesten Bereich von politischer
Kultur ausmachen«. Den Massenmedien kommt im Rahmen des
politisch-kulturellen Prozesses u. a. die Aufgabe der Bereitstellung
von Deutungsangeboten und damit der Herstellung von Sinnbezügen
zu, ohne die eine Demokratie nicht dauerhaft existieren kann.
Die über die Medien ablaufende politische Kommunikation
trägt damit zur symbolischen Verdeutlichung der jeweiligen
»politischen Soziokultur« bei. Die Medien als Träger
und Institutionen der öffentlichen Meinung sind dabei insoweit
wichtige Akteure, als sie die »politische Deutungskultur«
verwalten und inszenieren: »Damit vergrößert
sich die in jeder politischen Kommunikation angelegte Möglichkeit,
daß das Deutungsangebot nicht >ankommt<, weil der
>Empfänger< sich in den offerierten Interpretationsangeboten
nicht >wiederfinden< und >wiedererkennen< kann.«
Solange die öffentliche Meinung sich vornehmlich über
die Presse bildete, konnte, man von der durchaus fiktiven, normativen
Vorstellung einer Öffentlichkeit ausgehen, deren individuelles
Räsonnement die gesellschaftlichen Mitbestimmungsbedürfnisse
artikulierte. Spätestens mit der Herausbildung von Massendemokratien
und den zugehörigen modernen Massenkommunikationsmitteln,
und damit der Möglichkeit der Vervielfältigung, aber
auch künstlichen Herstellung und Manipulation (ver)öffentlich(t)er
Meinungen, zerbrach diese Vorstellung. Die gewissermaßen
als Abfallprodukte von ursprünglich als Instrumente zur
Kriegsführung entwickelten Massenmedien Hörfunk und
Fernsehen ermöglichten im Verbund mit modernen Drucktechniken
die tendenzielle Ubiquität von öffentlicher Meinung,
die damit ihre individuelle Zurechenbarkeit jedenfalls für
das Massenpublikum einbüßte. Gleichzeitig entdeckten
die staatlichen Instanzen ihr Interesse an den Kommunikationsmitteln
und begannen mit der Entwicklung entsprechender Nutzungsstrategien.
Großbritannien sollte der erste europäische Staat
sein, dessen Medien diesen Wandel gewissermaßen paradigmatisch
vollzogen haben. Typischerweise gingen auch alle folgenden Wandlungsprozesse
von der Entwicklung neuer technischer Verbreitungsmöglichkeiten
für Informationen und Meinungen aus.
Die Presselandschaft in Großbritannien oder zum
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Schon seit dem Jahr 1785 hatte es mit der Londoner Times eine
einflußreiche Tageszeitung gegeben, die als Sprachrohr
des britischen Establishments diente. Weitere nationale (landesweit
verbreitete) Qualitätszeitungen sollten im 19. und 20. Jahrhundert
folgen (u. a. der liberale Guardian, der konservative Daily Telegraph
sowie der Observer und der Independent). Daneben hat sich eine
Fülle von Boulevardblättern etabliert, deren Anspruchsniveau
insgesamt als recht niedrig, in Einzelfällen als außer-ordentlich
niedrig einzuschätzen ist. Besonders berüchtigt sind
in dieser Hinsicht Sun und News of the World. Diese beiden Zeitungen
gehören zum Konzern von Rupert Murdoch (News International),
der außerdem noch Times und Sunday Times sowie Today kontrolliert.
Der Marktanteil des Konzerns beträgt insgesamt mehr als
34 Prozent. Weitere 30 Prozent des Marktes liegen in der Hand
des anderen großen Konzerns, der Mirror Group (u. a. Daily
Mirror und Sunday Mirror, People und seit einigen Jahren der
Independent). Mit der Ubersiedlung des ursprünglich in Manchester
beheimateten Guardian nach London und dem Kauf des Observer,
der damit faktisch zur Sonntagszeitung des der Labour Party nahestehenden
Konzerns wurde, hat sich nicht nur die ohnehin schon für
die britische Presselandschaft typische Konzentration verschärft.
Die Situation wird zusätzlich dadurch zugespitzt, daß
alle diese überregionalen Zeitungen in London herausgegeben
werden. Bemerkenswert ist, daß mit dem gebürtigen
Australier und inzwischen aus eigentumsrechtlichen Motiven eingebürgerten
US-Amerikaner Rupert Murdoch sowie dem Kanadier Conrad Black,
dem Besitzer der auflagenstärksten »seriösen«
Tageszeitung, des Daily Telegraph, zwei Ausländer den Markt
der Qualitätszeitungen beherrschen. Während Murdoch
sich nicht gescheut hat, die beiden Times in erheblichem Maße
zu trivialisieren (mit viel Farbe, kurzen Artikeln und häufig
spektakulär aufgemachten Sensationsberichten), konnten die
beiden Telegraphs ihren Standard als führende, seriöse
Zeitungen des konservativen Establishments wenn auch nur
mühsam halten. Die von Murdoch in einem für das
Pressewesen beispiellosen Kostenwettbewerb durchgesetzten Preissenkungen
haben indes zu einem enormen Veränderungsdruck geführt,
der auch den Telegraph zur Aufnahme populistischer Elemente nötigte.
Der Erfolg scheint Murdochs Strategie der »grellen Popularisierung«
recht zu geben. Immerhin gelang es ihm nach dreijährigem
Preiskrieg, die Auflage der Times zu verdoppeln, eine Tatsache,
die die bislang akzeptierte Regel, wonach Zeitungen keine preissensiblen
Produkte seien, widerlegt zu haben scheint. Die folgende Tabelle
verdeutlicht die im europäischen Vergleich bemerkenswert
hohe Zeitungsdichte auf der Insel.
Der 1986 von drei Redakteuren des Daily Telegraph gegründete
Independent, zu dem viele nach der Übernahme durch den Murdoch-Konzern
unzufriedene Times-Mitarbeiter stießen, hat dagegen infolge
von Mißmanagement und verschärfter Marktkonkurrenz
erheblich an Auflage (und Unabhängigkeit) verloren. Daran
konnte auch die Einführung einer wenig überzeugenden
Sonntagszeitung nichts ändern. Das weitere Schicksal dieses
ambitionierten Projekts einer von Journalisten geführten,
unabhängigen Tageszeitung liberal bei gesellschaftlichen
Themen, konservativ in ökonomischen Fragen läßt
sich nur schwer abschätzen. Immerhin löste die Übernahme
durch den Mirror-Konzern die drängendsten finanziellen Probleme.
Fraglich ist dagegen die Zukunft der bei der Gründung des
Independent so wichtigen journalistischen Unabhängigkeit.
Diese ist freilich nicht nur beim In-dependent gefährdet,
denn die meisten Zeitungen stehen, im Gegensatz zu den Selbsteinschätzungen
der Journalisten, politischen Parteien nahe, zumeist den Konservativen.
Lediglich der Guardian (einschließlich der Sonntagszeitung
Observer) bildet bekanntlich eine Ausnahme. Dem Guardian kommt
dabei zugute, daß er schon früh New Labour unterstützte
und heute häufig von der Partei, insbesondere von Peter
Mandelson, bevorzugt mit Informationen »bedient«
wird. Die Dominanz der Verleger erwies sich auch an der wenig
überraschenden Parteinahme der Murdoch-Zeitungen für
Tony Blair, die sicherlich eher als Absage an John Major zu verstehen
ist. Die Redaktionen haben sich jedenfalls zu fügen, wie
auch die Redaktion der Sun erfahren mußte, denn »die
Entscheidung (sich für einen Wahlsieg Blairs auszusprechen)
ist, wie die Chefredaktion bestätigt, im Einvernehmen mit
dem Besitzer Rupert Murdoch gefällt worden, der mit Labour
flirtet, seitdem er sich davon überzeugen konnte, daß
die Partei seine kommerziellen Interessen nicht gefährden
wird«. Daß es sich dabei aber wohl kaum um eine nachhaltige
Tendenz handelt, belegen die ersten deutlich kritischen Äußerungen
der Murdoch-Blätter zu den meisten Vorhaben der Regierung
Blair (insbesondere zur Dezentralisierung). Entsprechende Einflußversuche
der Verleger auf die Berichterstattung der Journalisten werden
jedenfalls immer häufiger beobachtet.
Neben diesem politischen bias beklagen Journalisten und Beobachter
der britischen Presse eine zunehmende Trivialisierung, die sich
in der Bevorzugung spektakulärer, zumeist unpolitischer
Ereignisse und vor allem in der ausführlichen Skandalberichterstattung
(insbesondere über das Königshaus) zeigt. Auch vor
gelegentlichen national-chauvinistischen Tendenzen sind die Zeitungen
nicht gefeit.
Die ökonomischen Interessen der wenigen Pressebarone
und deren offen-sichtliche, grundsätzlich konservative politische
Orientierung prägen demnach das Pressewesen in Großbritannien.
Neben diese recht einseitige »Vermachtung« der Presse,
an der sich auch nach der Regierungsübernahme der Labour
Party bislang nichts grundsätzlich geändert hat, ist
die skizzierte verschärfte Kommerzialisierung und Trivialisierung
getreten. Das Pressewesen, dessen wirtschaftliche Situation insgesamt
durchaus günstig aussieht, so daß man kaum eine Abwendung
vom ökonomisch erfolgreichen Weg des inhaltlichen down market
erwarten kann, stellt demnach eine der schwierigsten Herausforderungen
für die britische Gesellschaft dar.
Herkunft, Organisation und Leistungen des traditionellen
Rundfunksystems oder zum Seitenanfang
Die Gründung der British Broadcasting Company (BBCo)
im Jahre 1922 markiert eine neue Phase in der Medienentwicklung.
Dennoch wird man damit nicht den Beginn des massendemokratischen
Medienzeitalters ansetzen dürfen. Obwohl sich die Hörfunkprogramme
an die ganze Bevölkerung wandten, blieben Gestaltung und
Kontrolle des »neuen« Mediums in den Händen
des Establishments. Wie auch in den anderen europäischen
Staaten galt der Hörfunk als viel zu gefährlich, als
daß man ihn den breiten Schichten hätte überlassen
können.
BBCo und die wenig später aus ihr hervorgegangene British
Broadcasting Cor-poration (BBC) verstanden sich als öffentliche
Dienstleistungsunternehmen, die dementsprechend auch als Quangos,
d. h. als quasi-autonome, nicht regierungsnahe Institutionen
organisiert wurden. Kennzeichnende Merkmale dieses paternalistischen
Konzeptes waren die staatlichen Aufsichtsorgane, die ausschließliche
Gebührenfinanzierung und die inhaltliche Aufgabe der gleichgewichtigen
Gewährleistung der nach abnehmender Wertigkeit gestuften
Programmtrias Bildung, Information und Unterhaltung. Ausschlaggebend
für die dennoch tendenziell vorhandene Staatsferne war die
Tradition der public corporation, die zwar formal durch den Staat
mittels einer royal charter etabliert und unterhalten, dennoch
aber nicht staatlich geleitet wurde. Wichtig ist in organisationssoziologischer
Sicht die Besetzung des entscheidenden Kontroll- und Aufsichtsgremiums
mit »unabhängigen« Persönlichkeiten des
Establishments, den sogenannten Treuhändern. Dieses Repräsentationsprinzip
garantierte trotz aller grundsätzlichen Kritik, auf die
weiter unten noch eingegangen wird, die Unabhängigkeit der
BBC von staatlichen Instanzen bzw. politisch motivierten Eingriffen
in Programme und Personal. Medienpolitische Kontroversen wurden
in der Regel durch bevorstehende Verlängerungen der charter
ausgelöst, die zumeist für etwa zehn Jahre ausgesprochen
wurden.
Das Fernsehen brachte in den späten vierziger Jahren
als zweites »neues Me-dium« das bis dahin bestehende
Monopol der BBC erstmals ins Wanken. Politische Gruppierungen
im industriefreundlichen Umfeld der Konservativen hatten sich
der Einführung eines privat-kommerziellen Fernsehens verschrieben;
dies geschah nicht zuletzt, um das sich langsam ausbildende Werbepotential
der Wirtschaft ökonomisch auszuschöpfen. Hierbei stießen
sie auf den erbitterten Widerstand der Labour Party und des konservativen
Establishments, das sich vor allem im Oberhaus versammelte. Gemeinsames
Argument dieser recht unwirklichen Koalition war die Uberzeugung,
daß das bestehende Monopol geschützt werden müsse
und dies nur durch ein marktunabhängiges Rundfunksystem
gewährleistet sei. Hiervon seien die Integration der Gesellschaft,
deren Bildungsstand und ein Minderheitenwünsche berücksichtigendes
Programm abhängig. Fernsehen für die Massen, das auch
noch über Werbung finanziert wäre, wurde vehement abgelehnt.
Labour verließ diese Ad-hoc-Koalition jedoch, als ihrer
Führung dämmerte, daß die vom kommerziellen Fernsehen
vor allem angesprochene Klientel viel eher ihrem Wählerpotential
ent-sprechen würde. Eine Einschätzung, die sich bis
heute tatsächlich empirisch nachweisen läßt (vgl.
Kapitel IV.4). Zurück blieben die konservativen Lords und
Ladies, die ihren Kampf gegen den Massengeschmack nicht aufgeben
wollten. Sie sollten ihn zwar schließlich verlieren, doch
der ursprüngliche Widerstand resultierte in einer der BBC
nachempfundenen Organisation auch des kommerziellen Fernsehens.
Kommerzielle Veranstalter wurden zugelassen, aber mit Gebietsmonopolen
ausgestattet, um ökonomischen Wettbewerb auszuschließen.
Sie erhielten ebenfalls zeitlich begrenzte Lizenzen, über
deren Einhaltung ein öffentlich kontrolliertes Treuhändergremium
wachte, die Independent Television (später: Broadcasting)
Authority (ITA/IBA).
Auch die BBC durfte Fernsehen veranstalten, mußte jedoch
auf zusätzliche Werbeeinnahmen verzichten. Die Ratio des
Systems, das schließlich mit der Zuteilung jeweils eines
weiteren kommerziellen und gebührenfinanzierten (Minderheiten-)Kanals
vervollständigt wurde, bestand genau in dieser Trennung.
Man ging davon aus, daß Konkurrenz um Programme, nicht
aber um deren Finanzierung die bestmögliche Gewährleistung
der weitgehend gleichlautenden Programmaufträge bieten würde.
Die Programmleistungen entsprachen den paternalistisch geprägten,
öffentlich kontrollierten Wettbewerbsvorstellungen: hohe
Anteile von Eigenproduktionen, gleichgewichtige Berücksichtigung
der traditionellen Programmtrias. Dieses zweite Rundfunksystem
sollte bis Ende der achtziger Jahre Bestand haben.
Den Übergang zum dritten Rundfunksystem zu Beginn der
neunziger Jahre kennzeichnet die weitreichende Zerschlagung des
bis dahin in paternalistischer Obhut befindlichen kommerziellen
Systems. Vorausgegangen war wiederum eine technische Innovation,
ausgelöst durch die Entwicklung leistungsfähiger Breitbandkabel
und von Kommunikationssatelliten.
Bei den Debatten über die Einführung und organisatorische
Gestaltung der letztgenannten »neuen Medien« ging
es darum, ob sie in Trägerschaft von staatlichen Instanzen
geführt oder den ungehemmten Wettbewerbsmechanismen eines
»deregulierten« Marktes ausgesetzt werden sollten.
Man entschied sich, nicht zuletzt aufgrund vehementen Zuspruchs
von Margaret Thatcher und des Handels- und Industrieministeriums
(DTI), für einen dezidiert marktorientierten Ansatz. Der
Erfolg gab den von der Regierungschefin auch in diesem Policy-Zusammenhang
als wets verhöhnten Zweiflern des weiterhin paternalistisch
gesinnten Innenministeriums recht. Nach vielen Fehlschlägen
und enttäuschten Hoffnungen auf einen schnellen Markterfolg
weist Großbritannien immer noch im europäischen Vergleich
eine der niedrigsten Verkabelungsraten auf. Satellitenfernsehen
konnte aufgrund der publizistischen Macht des Murdoch-Konzerns
inzwischen sein Publikum finden, wenngleich auch hier noch viele
Fragezeichen hinter den ökonomischen Erfolg zu setzen sind.
Dies gilt in noch stärkerem Maße im Blick auf die
Programminhalte, die sich weitgehend aus US-Importen zusammensetzen
und deren Qualität nicht an den Maßstäben der
beiden etablierten Fernsehveranstalter gemessen werden kann.
Angesichts der nur begrenzten Erfolge von Kabel- und Satellitenfernsehen
entschied sich die Regierung Thatcher schließlich Ende
der achtziger Jahre zu einer »Deregulierung« des
kommerziellen Rundfunksystems, die schließlich in der Versteigerung
der Sendelizenzen an den meistbietenden Veranstalter gipfelte.
Von diesem zweifelhaften und weltweit einzigartigen Verfahren
versprach man sich eine Belebung des Wettbewerbs im kommerziellen
Rundfunkbereich. Neben den Einnahmen aus der Versteigerung würden
sich, so die Hoffnungen der Regierung, neue Anbieter finden,
die das eingespielte und vermeintlich allzu verkrustete Duopol
von ITV und BBC aufbrechen könnten.
Die gegenwärtige Rundfunkordnung oder zum
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Das von der letzten Thatcher-Regierung geschaffene kommerzielle
Rundfunksystem sieht nach wie vor regionale Monopolanbieter vor,
die im Januar 1993 eine Sendelizenz für eine Frist von zehn
Jahren erhielten. Abgesehen von einigen spektakulären Einzelfällen
kamen dabei durchaus wieder die meisten der bereits etablierten
Veranstalter zum Zuge. Allerdings hatten sich fast alle Bewerber
mit finanzkräftigen Partnern zusammengetan. Der einzige
wirkliche Unterschied zu früher besteht denn auch darin,
daß im kommerziellen Rundfunkbereich Konzentrationserscheinungen
mittlerweile zur Regel geworden sind.
Ausgelöst wurden die Zusammenschlüsse durch die
im Jahre 1993 begonnene und schließlich im Broadcasting
Act 1996 kodifizierte Lockerung der Konzentrationsregeln. Dahinter
stand zum einen der von allen Parteien getragene Versuch, den
übermächtigen Einfluß Rupert Murdochs durch die
Schaffung größerer, vertikal integrierter, einheimischer
Medienunternehmen einzudämmen. Da nur Presseunternehmen
mit weniger als 20 Prozent Marktanteil von der Lockerung der
cross-ownership-rule profitierten, gingen Murdochs News International
und die Mirror-Gruppe zwangsläufig leer aus, während
Pearson (Financial Times, Economist), Carlton TV, United News
& Media (Express und Sunday Times, Daily Star) sowie die
Telegraph- und Guardian-Gruppen jetzt in großzügiger
Form Fusionen und Aufkäufe planen und durchweg realisieren
konnten. Wie nicht anders zu erwarten, entzog Murdoch daraufhin
der konservativen Regierung seine Unterstützung und leitete
die vermutlich taktisch motivierte Öffnung zu New Labour
ein. Die neue Regierung hat sich bislang von dieser konservativen
Deregulierungspolitik nicht abgewendet und scheint im Gegenteil
entschlossen, im Zeichen allgegenwärtiger Globalisierungsbefürchtungen
die heimischen Medienkonzerne für den weltweiten Wettbewerb
zu stärken27. Zum anderen verschwimmen die traditionellen
Grenzen zwischen Printmedien, Rundfunk und Telekommunikation
mit rasender Geschwindigkeit, so daß tatsächlich die
überkommenen cross-ownership-rales reformbedürftig
waren. Wie von den Gegnern der Öffnung befürchtet,
haben sich die Lockerungsmaßnahmen aber bislang allenfalls
auf die Betriebsgrößen ausgewirkt. Denn bessere Programme
sind nicht in Sicht. Im Gegenteil: Aufgrund der enormen Ausgaben
für Lizenzen und der durch das Satellitenfernsehen ausgelösten
Preissteigerungen bei der knappen Ware »Programm«
stehen die meisten Anbieter heute vor enormen ökonomischen
Problemen.
Neben dem kommerziellen Fernsehkanal für das allgemeine
Publikum, Channel 3, gibt es auch weiterhin den Minderheitenkanal
Channel 4, dessen wichtigste Aufgabe in der Sendung von unabhängig
produzierten Programmen der verschiedenen ethnischen oder weltanschaulichen
Minderheiten besteht. Er finanziert sich aus Werbung, die der
Sender inzwischen selbst vermarktet. Oberhalb einer gewissen
Einnahmehöhe müssen die Gewinne allerdings an die regionalen
ITV-Gesellschaften abgeführt werden. Sollten diese Einnahmen
aber unter eine gewisse festgelegte Grenze fallen, muß
Channel 3 den vierten Kanal subventionieren. Diese bislang geltende
Regelung wird aber spätestens 1999 dahingehend geändert,
daß Channel 4 sein »Sicherheitsnetz« eventueller
Subventionszahlungen verliert. Dies ist ganz im Sinne von Channel
4, da der Kanal überraschend hohe Werbeeinnahmen hat und
daher unerwartet viel Geld in die Kassen von ITV bezahlt. Seit
Früh-sommer 1997 gibt es einen weiteren, in analoger Technik
terrestrisch verbreiteten Fernsehsender, dessen werbefinanziertes
Programm sich allerdings kaum von Channel 3 unterscheidet. Channel
5, um dessen Lizenzvergabe es ein heftiges Tauziehen gab, wird
von einem Konsortium betrieben, an dem neben den britischen Presseunternehmen
United News & Media (29 Prozent) und Pearson (24 Prozent)
die amerikanische Investmentbank Warburg Pincus (18 Prozent)
sowie der luxemburgisch/deutsche Konzern CLT/UFA (29 Prozent)
beteiligt sind. Bislang gibt es weder genaue Zahlen über
die technische Reichweite des Senders, noch über sein tatsächliches
Publikum. Die Programme, die nach eigenen Aussagen auf die »moderne
Mittelschicht« zielen, sind unterhaltungsorientiert; Information
findet mit Ausnahme von Sport nur am Rande statt.
Dieser letzte technisch mögliche terrestrische Fernsehsender
trifft auf eine zunehmende Konkurrenz des Kabel- und Satellitenfernsehens,
dessen Programme vielfach auch durch Rupert Murdochs SKY-Television-Kanäle
geliefert werden. Dieses Pay-TV setzt sich aus Spezial-programmen
für Spielfilme, Sport und Nachrichten sowie einem zumeist
aus amerikanischen Programmen bestückten allgemeinen Unterhaltungskanal
zusammen. Weitere Kanäle sollen nach Einführung des
von der neuen Regierung unterstützten terrestrischen digitalen
Fernsehens sowie des von Rupert Murdoch favorisierten Kabel-
und Satellitenfernsehens folgen. Während das Digital Terrestrial
TV (DTT) eine moderate Programmvermehrung verspricht, an der
auch die bestehenden Sender partizipieren sollen, verbinden sich
mit der anderen Verbreitungstechnik vermutlich überzogene
Vorstellungen einer gigantischen Programmvielzahl. Es bleibt
abzuwarten, ob die sehr weit gespannten Vorstellungen sich in
absehbarer Zeit realisieren lassen. Vieles spricht für Zurückhaltung
vor allem ein bislang nicht erkennbares Interesse der potentiellen
Nutzer.
Im Zentrum des kommerziellen Systems steht die Independent
Television Commission (ITC), die für die Aufsicht über
alle nicht von der BBC veranstalteten Rundfunkdienste zuständig
ist. Sie setzt sich im übrigen genau wie die Vorgängerin
IBA aus zwölf Personen zusammen. Wie bei den zwölf
Treuhändern der BBC (dem Board of Governors) handelt es
sich bei den Mitgliedern der ITC um Persönlichkeiten des
Establishments. Der repräsentativen und im wesentlichen
auf die informelle Einflußnahme reduzierten Rolle der Aufsichtsräte
entsprechen die charakteristischen Merkmale der hierzu ernannten
Persönlichkeiten. In der Regel handelt es sich, analog zum
Civil-Service-Prinzip, nicht um Fachleute. Sie werden prinzipiell
als Individuen und nicht als Vertreter von Partikularinteressen
bzw. gesellschaftlich-relevanten Gruppen berufen. Typische Merkmale
sind (nach älteren, gleichwohl aber nach wie vor gültigen
empirischen Analysen der Aufsichtsräte) die Ausbildung:
meist Public-School-Schüler (vor allem Eton, Harrow) und
Universitätsabsolventen (vor allem Oxford und Cambridge);
die Berufe: aus den Bereichen Diplomatie, Industrie, Gewerkschaften,
Bildung, Civil Service, Politik; das Alter: meist 58 Jahre und
älter; das Verhältnis von ca. 4:1 zwischen Männern
und Frauen. Diese Merkmalausprägungen verdeutlichen die
Dominanz des Establishments und bestätigen den von Kritikern
immer wieder geäußerten Verdacht, daß die niedrigeren
sozialen Schichten kaum Zugang zu den Schaltstellen der (Medien-)
Macht besitzen. Die hiermit meist verbundene Kritik mangelnder
Repräsentativität zielt vor allem auf die Ubereinstimmung
zwischen Establishment, wohlhabendem Bürgertum und »herrschendem
politischen System«. Gegner dieser vermeintlichen Dominanz
fordern seit jeher eine »demokratische Öffnung«
des Aufsichts- und Kontrollsystems der BBC. Dies gilt auch in
abgeschwächter und noch sehr vager Form für New Labour.
Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß kaum
wirkliche Repräsentativität im Sinne einer Vertretung
aller Interessen möglich und die tatsächliche Repräsentation
durch Establishment-Persönlichkeiten aufgrund britischer
Tradition durchaus legitim erscheint. Die Zusammensetzung des
obersten Organs der ITC ist dem Modell des BBC-Aufsichtsrats
nachgebildet. Es ergeben sich mithin ähnliche Konstellationen
wie im Fall des älteren Gremiums.
Nur eine naive Gleichsetzung von Staatsräson mit Parteiräson
könnte unter-stellen, daß durch diese Art der Repräsentation
lediglich einseitige Interessen zum Zuge kämen. Ein vertieftes
Verständnis des britischen politischen Systems und seiner
Funktionsweise unter Einbezug gerade nicht einklagbarer Rechte,
von Konvention und fair play, scheint nötig, um diesem Rundfunkordnungsmodell
Rechnung tragen zu können. Anthony Smith faßt die
Ratio dieses legitimierenden Ordnungskriteriums des britischen
Rundfunksystems folgendermaßen zusammen: »The placing
of total editorial power in the hands of a statutory body whose
members are appointed by politicians but who acquire a loyalty
to the historic continuity of their respective organisations,
within a sense of responsibility towards the public.«
1. Die BBC immer noch Vorbild ? oder zum
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Die Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist kein
typisch deutsches Phänomen. Nach der Einführung dualer
Ordnungen in den meisten Staaten Europas kämpfen die Veranstalter
mit zurückgehenden Einschaltquoten, denn ein Teil des Publikums
wandert zu den privat-kommerziellen Sendern ab. Außerdem
nimmt der politische Druck auf den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk zu, mit stärker am Publikum orientierten Sendungen
die Rundfunkgebühr zu rechtfertigen. Von der BBC forderte
man vor allem betriebliche Rationalisierungen. Die ihr noch von
Margaret Thatcher verordnete Schrumpfkur hat sie zwischenzeitlich
hinter sich: Mehr als 8000 Stellen wurden eingespart, und mittlerweile
wird der BBC auch von privaten Kostenrechnern ein effizientes
Management bescheinigt. Grundsätzlich wurde der Fortbestand
der BBC als zentrale, vorrangig gebührenfinanzierte Rundfunkanstalt
bis weit über das Jahr 2000 hinaus garantiert. Es sollen
aber verstärkte Anstrengungen unternommen werden, durch
die Vermarktung des Programmvermögens, die Erschließung
neuer Verbreitungswege und vielfältige Kooperationen mit
dem privaten Sektor mittelfristig zu einer stärkeren Unabhängigkeit
von den Gebühreneinnahmen zu kommen. Gelegentlich scheint
aber auch die BBC nicht vor Irrwegen gefeit. Der Versuch, mit
»Sonne, Sangria und Sex« verlorengegangene Publikumsschichten
zurückzugewinnen, steht für die Konkurrenzstrategie
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie auch in Deutschland
gelegentlich zu beobachten ist.
Die BBC hat trotz politischen Drucks (Stichworte: Modernisierung,
Wettbewerbsfähigkeit) diesen Weg der Selbstkommerzialisierung
jedoch zumindest im Programmbereich nicht weiter beschritten,
sondern neben den Stellenkürzungen im allgemeinen Apparat
sowohl neue Programmschwerpunkte geschaffen als auch freien Produzenten
mehr Raum gegeben: 25 Prozent der Sendungen müssen inzwischen
außer Haus produziert werden. Gerade diese als producers'
choice bezeichnete Änderung verdeutlicht aber auch die Zwiespältigkeit
des Modernisierungsprozesses. Während sich die Redakteure
von Nachrichtensendungen lobend über die neue Flexibilität
äußern, beklagen die entlassenen bzw. dieses Schicksal
fürchtenden Techniker die leeren Studios. Entscheidend aber
für das neue Selbstverständnis der BBC ist ihre Öffnung
für den privaten Sektor, charakterisiert durch Kooperationen
u. a. mit Rupert Murdoch, neue Pay-TV-Programme und sogar die
maßvolle Einführung von Werbung im World Service,
dem renommierten Radioprogramm der BBC. Die neue Regierung beobachtet
diese Reformen mit Wohlwollen, der zuständige Minister hat
aber vor einer »exzessiven« Kommerzialisierung gewarnt.
Das Resümee: Die BBC hat sich dem politischen Druck gebeugt
und mit maßvollen Reformen eine Revolution verhindert.
Sie hat eine Zukunft, wenn sie sich wie offensichtlich
geschehen auf ihre Stärken besinnt. Die Stärken
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind seine Vielfalt
und seine Unabhängigkeit vom alltäglichen Kampf um
die Einschaltquote. Dies ist ein Vorteil, den die BBC gegenüber
ihren deutschen Pendants hat. Sie finanziert sich im Gegensatz
zu diesen schließlich nur aus Gebühren, deren Höhe
an einen Preisindex gekoppelt worden ist. Regelmäßige
moderate Steigerungen sind damit garantiert.
Dies ist in Deutschland bekanntlich anders. Aber auch bei
uns gibt es ja zwischenzeitlich ernstzunehmende Stimmen aus den
öffentlich-rechtlichen Anstalten, die sich eine Übernahme
dieses britischen Finanzierungsmodells vorstellen könnten.
Denn man mag es drehen und wenden, wie man will: Sobald die Einschaltquote
über die Einnahmen bestimmt, verliert das Programm an Vielfalt
und Qualität. Konkurrenz bei den Programmen ist gut, bei
einer Konkurrenz um die gleichen Einnahmen kann der öffentlich-rechtliche
Rundfunk nur verlieren. Die BBC jedenfalls kommt nach wie vor
beim Gesamtpublikum mit ihren beiden Programmen durchschnittlich
auf einen Marktanteil von insgesamt 45 Prozent (BBC 1: 33 Prozent,
BBC 2: 12 Prozent), während ITV von durchschnittlich 40
Prozent mittlerweile auf gerade noch 35 Prozent gesunken ist.
Channel 4 erreicht 11 Prozent, die sonstigen Programme des Kabel-
und Satellitenfernsehens verzeichnen zusam-men einen Anteil von
knapp 10 Prozent. In Haushalten mit Kabel- und Satellitenempfang
zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild. Hier haben die allgemeinen
Programme starke Verluste hinzunehmen, die speziellen Kabel-
und Satellitenprogramme sind die Favoriten. Da Großbritannien
aber nach wie vor mit etwa 5 Millionen Kabel- und Satellitenanschlüssen
(Deutschland: mehr als 30 Millionen) nur eine allenfalls durchschnittliche
Anschlußdichte besitzt, sind diese Entwicklungen für
die etablierten Veranstalter noch nicht alarmierend, aber sicherlich
bedenkenswert.
Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die zentrale
Aufgabe, über seine deutende, sinnstiftende Funktion die
Einheit der Nation zu bewahren. Auch wenn die Stimmen oft widersprüchlich
sind, bietet er den Rahmen, innerhalb dessen Verständigung
möglich ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mithin
als Institution einer nationalen politischen Kultur? Von Verteidigern
der BBC wird genau dieses Argument genannt, wenn nach der zukünftigen
Berechtigung eines öffentlich-rechtlichen Systems gefragt
wird.
2. Medienpolitik der Parteien oder zum
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Obwohl die Einführung von Kabel- und Satellitenfernsehen
sowie die »Deregu-lierung« des kommerziellen Medienbereichs
in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert wurden, sind die
britischen Parteien nur am Rande an diesen Auseinandersetzungen
beteiligt gewesen. Komplementär zu dieser parteipolitischen
Abstinenz, deren tiefere Ursachen in der allgemein reduzierten
Bedeutung der Parteien im Bereich der politischen Willensbildung
gründen, finden die wesentlichen medienpolitischen Diskussionen
zwischen Regierung und Parlament sowie innerhalb der Regierung
statt. Darüber hinaus beteiligen sich vor allem Interessenverbände,
Kirchen und die an der Medienentwicklung beteiligten Institutionen
an den medienpolitischen Diskussionen, die sich in Großbritannien
durch eine zyklische Struktur auszeichnen. Die insgesamt fünf
identifizierbaren policy-making cycles innerhalb der britischen
Medienentwicklung seit 1945 (Einführung des privaten Fernsehens,
Einrichtung von BBC 2, Institutionalisierung von Channel 4, Einführung
von Kabel- und Satellitenfernsehen, »Deregulierung«)
zeigen, wie bereits angedeutet, einen ähnlichen strukturellen
Verlauf: Sie setzen sich typischerweise aus den drei Bestandteilen
Untersuchungs-, Diskussions- und Einführungsphase zusammen.
Zeitplan und Verlauf werden in der Regel durch die Vorlage eines
Weißbuchs der Regierung bestimmt, in dessen Diskussion
sich neben den politischen Akteuren auch die meisten gesellschaftlichen
Gruppen äußern.
Medienpolitische Konzeptionen der Parteien spielen soweit
vorhanden nur insofern eine Rolle innerhalb der öffentlichen
Diskussion, als sie den ideologischen Hintergrund für die
vor allem zwischen Parlament, Regierung und Interessengruppen
stattfindenden Auseinandersetzungen bilden. Dies kann auch nicht
verwundern, da das Führungsgewicht der Fraktion (insbesondere
im Fall der aus der Parlamentspartei hervorgegangenen Konservativen
Partei) traditionell viel höher ist als beispielsweise in
Deutschland. Außer den jährlichen Parteitagen, die
zunehmend den Charakter regierungs- bzw. oppositionsoffizieller
Legitimierungsveranstaltungen besitzen, finden kaum öffentliche
Kongresse oder ähnlich gelagerte Informationsveranstaltungen
statt. Auch die Medienpolitik ist auf das Forum des Parlaments
angewiesen. Keine der wichtigen Parteien hat bisher außerhalb
des Parlaments eine auch nur annähernd als konzeptionell
zu bezeichnende Medienpolitik entwickelt.
Im Rahmen der Debatten um die Einführung von Privatfernsehen,
BBC 2 und Channel 4 hatte sich als Determinante der konservativen
Medienpolitik die Bevorzugung privater Initiative gegenüber
staatlicher Lenkung erwiesen. Allerdings sah die Ausgestaltung
dieser grundsätzlichen Orientierung meist einen Dissens
zwischen eher »paternalistisch« eingestellten Konservativen,
die auf die weitreichende Erhaltung des jeweils bestehenden Mediensystems
ausgerichtet waren, und stärker »liberalen«
Vorstellungen verhafteten Mitgliedern, die mit dem jeweils »neuen
Medium« die Möglichkeit zu einer entsprechenden Öffnung
des Mediensystemsnutzen wollten.
Auch die Medienpolitik der Labour Party weist zwischenzeitlich
Strömungen auf, deren traditionelle Ausrichtung in enger
Verbindung zu den entsprechenden Konzeptionen der Gewerkschaften
gesehen werden muß, während New Labour einen pragmatischen
Kurs verfolgt. Als Leitgedanken von Old Labour waren erkennbar:
ein rein öffentlich-rechtlich, nur gebührenfinanziertes
Rundfunksystem neben einem gleichfalls öffentlich kontrollierten
kommerziellen System; verbesserte Zugangschancen zum Mediensystem
und Ablehnung der »Deregulierung«. Diese Position
ist indes nicht mehr mehrheitsfähig. New Labour führt
dagegen in den Grundzügen die pragmatische Linie der konservativen
Partei unter John Major fort. Man kann heute also durchaus von
einer weitreichenden Kongruenz der relevanten medienpolitischen
Vorstellungen der Parteien hinsichtlich der Rundfunkordnung sprechen.
Deutlicher als die konservative Regierung bemüht sich
Labour allerdings um die Umsetzung der kommunikativen Grundrechte,
wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehalten
sind. Es ist davon auszugehen, daß neben einen Freedam
of Information Act nach US-amerikanischem Vorbild im Zuge dieser
Verfassungsreform eine ausdrückliche Garantie der Meinungs-
und Informationsfreiheit treten wird. Weitere denkbare medienpolitische
Veränderungen könnten in einer stärkeren Öffnung
der BBC-Leitungsgremien für breitere Bevölkerungsschichten
und in der Ablösung der Regionalgesellschaften durch Schaffung
eines einzigen nationalen ITV-Betreibers bestehen. Hierbei handelt
es sich aber lediglich um Mutmaßungen, die noch nicht als
offizielle Partei- oder Regierungspolitik erkennbar sind51.
3. Rundfunk im politischen Willensbildungsprozeß
oder zum Seitenanfang
Die Einflußmöglichkeiten der Politiker auf den
Rundfunk sind sehr limitiert, und die Unabhängigkeit der
Medien ist in historisch gewachsene conventions sowie rechtlich
verbriefte Garantien eingebunden.
Infolgedessen versuchen auch die bestehenden Anstalten, durch
eine ausgewogene und adäquate Berichterstattung zumal
hinsichtlich umstrittener politischer issues die nötige
Distanz zum politischen Bereich zu wahren. Ganz im Gegensatz
zu den heftigen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik Deutschland
um die Rolle der Fernsehmedien im Willensbildungsprozeß
und zumal bei Wahlen, werden diese Einflüsse in GroBbritannien
wenig diskutiert. Bestimmte politische Vorlieben kommen nur selten
zum Ausdruck, viel eher dagegen generelle Kritik am politischen
System und seinen Akteuren. Michael Svennevig u. a. kommen in
ihren empirischen Untersuchungen zum Einfluß des Fernsehens
auf die Unterhauswahlen 1983 und 1987 zu dem Ergebnis, daß
von allen Medien insbe-sondere dem Fernsehen höchste Glaubwürdigkeit,
Objektivität und Fairneß der Berichterstattung zugebilligt
wird. Gleichzeitig ergaben drei Befragungswellen bei Fernsehzuschauern,
daß insgesamt auch die einzelnen Kanäle grosso modo
mit dem übereinstimmenden Attribut treats all parties fairly
ausgezeichnet werden: Die vor allem bei den BBC-Kanälen
konstatierte, wenn auch kaum erhebliche Bevorzugung der Konservativen
mag zum einen in der traditionellen Kanalorientierung (BBC =
establishment; ITV = workers), zum anderen aber auch in der prinzipiell
größeren Staatsnähe bzw. autoritativen Berichterstattung
der BBC ihre Ursache haben. Untersuchungen für das Jahr
1991 bestätigen die genannten Trends. Mit diesen Grundorientierungen
verbindet sich auch eine unterschiedliche Programmfärbung,
wie sie beispielsweise bei der Übertragung der Trauerfeierlichkeit
für Prinzessin Diana erkennbar wurde: »The BBC speaks;
ITV emotes.«
Die eigentliche Bedeutung des Rundfunks liegt in der Bewahrung
und Förderung des kritischen, dem Parteienspektrum enthobenen
Journalismus angelsächsischer Prägung. Dessen Stellenwert
im politischen Willensbildungsprozeß zeigt sich vor allem
in der meist satirischen und oft respektlosen Behandlung umstrittener
Themen. Aus diesem Grunde wird vor allem der Professionalismus
der Fernsehproduzenten als ein entscheidender Faktor angesehen,
der für den Einfluß des Fernsehens auf die gesellschaftlichen
und politischen Sphären verantwortlich zu machen ist.
4. Publikum oder zum Seitenanfang
Seit mehreren Jahren liegt die durchschnittliche Sehdauer
in britischen Fernsehhaushalten bei ca. 25 Stunden in der Woche,
d. h. etwas weniger als vier Stunden am Tag. Die Hörfunknutzung
ist trotz dieser vergleichsweise hohen Sehdauer mit durchschnittlich
etwa 20 Stunden pro Woche die höchste in Europa.
Ähnlich wie im Fall der bundesdeutschen Fernsehnutzung
haben die Kinder und älteren Menschen sowie im Geschlechtervergleich
die Frauen eine vergleichsweise höhere Nutzungsdauer, da
sie über die größeren Zeitbudgets verfügen.
Wie die bereits skizzierte Aufmerksamkeitsverteilung kann die
schichtspezifische Nutzung der Programme ebenfalls nicht überraschen.
Danach sehen die unteren sozialen Gruppen nicht nur insgesamt
mehr fern, sondern sie bevorzugen dabei auch die kommerziellen
Kanäle. Die sozial höheren Gruppen bevorzugen hingegen
die Programme der BBC. Jene Gruppen stellen wie es nicht
anders zu erwarten ist auch zu einem weitaus größeren
Anteil die Nutzer der neuen Kabel- und Satellitenprogramme.
Insgesamt kann man davon ausgehen, daß sich die etablierten
Rundfunkmedien der Herausforderung durch die neuen Programme
bislang erfolgreich stellen konnten nicht zuletzt wegen
der noch geringen Reichweiten der »neuen Medien«.
Dramatische Auswirkungen auf die Akzeptanz und Nutzung der etablierten
Programme sind daher noch nicht klar erkennbar. Das sich verändernde
Nutzungsverhalten in den Haushalten mit Kabel- oder Satellitenanschluß
wird sich aber bei zunehmender Verbreitung zu Ungunsten der etablierten
Veranstalter auswirken und einen verstärkten Anpassungsdruck
zur Folge haben.
V. Die Auseinandersetzungen um ein Pressegesetz oder zum Seitenanfang
Nicht erst die spektakulären Umstände des Todes
von Prinzessin Diana machten auf ein Problem aufmerksam, das
seit Anfang der 90er Jahre in Großbritannien intensiv diskutiert
wird: Wie weit darf die Berichterstattung der Medien gehen, bzw.
ab welchem Punkt ist die Privatsphäre einer Person ein schützenswertes
Gut? Zu unterscheiden ist dabei zwischen Personen des öffentlichen
Interesses, also z. B. Politikern, die sich fraglos eine intensivere
Berichterstattung gefallen lassen müssen, und Menschen,
die nur aufgrund eines spezifischen Ereignisses oder zufällig
in die Schlagzeilen geraten.
Das Verhalten von Politikern war freilich schon immer Gegenstand
öffentlichen Interesses. Nur wurde in der Regel nicht darüber
berichtet. Man wußte und schwieg z. B. über die »Sünden«
eines William E. Gladstone oder Lloyd George. Die eingangs dargestellte
Trivialisierung und der unerhörte Konkurrenzdruck auf dem
britischen Medienmarkt haben indes dazu geführt, daß
Sensations- und Skandaljournalismus immer mehr um sich greifen
und auch vor der seriösen Presse nicht halt machen. Um diesen
Entwicklungen besser beikommen zu können, hatte im Jahre
1990 eine unter dem Vorsitz von Sir David Calcutt stehende Kommission
schärfere Pressegesetze gefordert, sich damit aber nicht
durchsetzen können. Es kam zu der Gründung einer Beschwerdekommission
(Press Complaints Commission, PCC). Deren Aufgabe bestand in
der Erstellung eines Kodexes, mittels dessen schwerwiegende Verstöße
gegen seriöse Berichterstattung bestraft werden konnten.
Falls diese u.a. mit Vertretern der Presse (9 von 15 Mitgliedern)
besetzte Selbstregulierungsinstanz jedoch scheiterte, sollten
nach Absicht der damaligen konservativen Regierung härtere
gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden. Tatsächlich
hatte sich nach einem Bericht der Calcutt-Kommission in den zwei
Jahren seit Bestehen der PCC bestätigt, daß die von
der Zeitungsindustrie dominierte Kommission kein effizienter
Regulator sei und nicht das erwünschte Kräftegleichgewicht
zwischen Presse und zu schützendem Individuum garantiere.
Die Zeit sei reif für die gesetzliche Regelung. Sir David
Calcutt schlägt u. a. vor, daß die PCC durch eine
gesetzlich verankerte Behörde ersetzt werden solle, mit
klar festgelegtem Kontrollauftrag und entsprechenden Sanktionsbefugnissen.
Dazu würde neben empfindlichen Geldstrafen (bis zu 1 Prozent
der jährlichen Einkünfte einer Zeitung) auch das Recht
gehören, den Abdruck einer Entschuldigung zu verlangen.
Das als »Tribunal« bezeichnete neue Kontrollgremium
könnte, so der am tiefsten in die Pressefreiheit eingreifende
Vorschlag, bereits bei Verdacht auf Mißbrauch tätig
werden und damit vorab die Veröffentlichung illegal gewonnener
Informationen verhindern. Die weiteren Vorschläge Calcutts
enthieten u. a. die Einrichtung eines Gegendarstellungsrechts
nach deutschem und einer weitgehenden Schadensersatzregelung
nach französischem Vorbild. Die Debatte verlief jedoch im
Sande.
Erst die Umstände des Todes von Prinzessin Diana haben
die Diskussion neu entfacht. Die Argumente sind allerdings nicht
neu. Einerseits besteht ein legitimes Recht der Öffentlichkeit,
über Personen der Zeitgeschichte und des öffentlichen
Lebens unterrichtet zu werden. Andererseits gibt es eine ethisch-moralische
Grenze, an der die Berichterstattung enden muß. Sie ist
ohne Zweifel überschritten, wenn Redakteure sogar vor Bildmanipulationen
nicht zurückschrecken, um gewünschte, aber nicht belegbare
bzw. bezahlbare Zusammenhänge herzustellen, wie dies der
Fall war, als ein Mitarbeiter des Mirror bei der digitalen Bildnachbereitung
Prinzessin Dianas Kopf einfach in die gewünschte Position
rückte.
Die Debatte wird sicherlich dazu führen, daß eine,
wie auch immer formalisierte, rechtliche Garantie zum Schutz
der Privatsphäre geschaffen wird. Im Rahmen der Umsetzung
der bereits angesprochenen Garantien für eine freie Meinungsäußerung,
wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten
sind, sei dies ganz einfach zwingend so der Lord Chancellor,
Lord Irvine. Die Frage ist lediglich, ob man es den Richtern
überlassen wird, das Problem durch die Rechtsprechung zu
lösen oder ob das Parlament ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.
Tony Blair optiert offensichtlich für die erstgenannte Lösung,
während Lord Irvine ein Gesetz vorziehen würde. Der
Premierminister verfolgt damit die Linie der Regierung Major
weiter, die ebenfalls auf eine Stärkung der Press Complaints
Commission und eine freiwillige Selbstbeschränkung der Presse
setzte. Die Vorbehalte Lord Irvines gegenüber dieser Hoffnung
auf einen Wertewandel der Medien gründen auf der Überzeugung,
daß die Richter erheblich schärfere Sanktionen verhängen
könnten: »The press might think, if they were more
intelligent, they would get a more moderate and politically balanced
privacy law out of Parliament. The common law cannot fashion
remedies with quite the subtlety of Parliament because Parliament
is all-powerful and can do anything it likes.«
VI. Zukunftsperspektiven oder zum Seitenanfang
Eine Gesamtbetrachtung der Wandlungsprozesse im britischen
Mediensystem fällt im Hinblick auf seine politischen Konsequenzen
ambivalent aus. Einerseits haben sich Teile des traditionellen,
eingangs als Verwalter und Dramaturgen der »politischen
Deutungskultur« bezeichneten Sinngebungsestablishments
verflüchtigt. Noch vor wenigen Jahren wäre es ein leichtes
gewesen, die wenigen entscheidenden Intellektuellen zu benennen,
die über die Massenmedien prägenden Einfluß auf
die politische Kultur des Landes nahmen. Abgelöst wurde
diese überkommene Konstellation durch eine Kakophonie, deren
fragmentierende Auswirkungen zwangsläufig sind. Der Paternalismus
in der Berichterstattung hat sich aufgrund der Vervielfachung
der Kanäle überlebt. Anders und geradezu gegensätzlich
ist der Befund für die organisatorischen Grundstrukturen.
Trotz der für das britische System untypischen, vor allem
von der Regierung Thatcher ausgelösten Eruptionen hat sich
an dem paternalistischen Grundkonzept nur wenig geändert.
Nach wie vor be-stimmen einige wenige Persönlichkeiten des
Establishments in Verbindung mit der Beamtenschaft des Innenministeriums
die Struktur des Mediensystems. »Typisch« britische
Regelungszurückhaltung und Pragmatismus mögen als Kennzeichen
für den Politikstil dieser dominierenden Elite dienen. Änderungen,
die auf den Regierungswechsel im Mai 1997 zurückzuführen
wären, lassen sich bislang noch nicht erkennen und sind
überdies abgesehen von den Konsequenzen der Umsetzung
der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht zu
erwarten.
Dies heißt nicht, daß kein weiterer Wandel im
Mediensystem bevorsteht. Es wird sich zeigen müssen, ob
die Öffnung des Mediensystems für ausländische
Investoren (vor allem aus den USA) sowie neueste technische Entwicklungen
einen Bruch mit dieser Regelungskonvention herbeiführen
werden. Immerhin hat sich die britische Gesellschaft bisher aber
als bemerkenswert resistent gegenüber allzu stürmischen
Revolten gezeigt. Sie besitzt von daher nicht die schlechtesten
Chancen, mit den alten und neuen Herausforderungen fertig zu
werden.
|
Peter Humphreys - Das Rundfunksystem Großbritanniens
Einleitung oder zum Seitenanfang
Mitte 1999 läßt sich das britische Rundfunksystem
noch immer am besten als Mischung aus Kontinuität und Wandel
beschreiben. Das "Duopol" der terrestrischen Sender
BBC und ITV/ Channel 4, 1997 durch C5 erweitert, zieht weiter
den Löwenanteil der Zuschauer auf sich. Nach den Zahlen
der Independent Broadcasting Commision (lTC) für die am
31. März 1999 beendeten zwölf Monate waren die Zuschaueranteile
der terrestrischen Sender wie folgt: BBC 1: 29 Prozent; BBC 2:
11,2 Prozent; ITV: 32 Prozent; Channel 4: 9,9 Prozent; Channel
5: 4,6 Prozent, in der Summe also 86,7 Prozent. Der Rest entfiel
auf Kabel- und Satellitenprogramme. Den Zahlen der ITC zufolge
beläuft sich der Zuschaueranteil der acht Sky-Satellitenkanäle
(BSkyB) auf 5 Prozent. Andererseits gab es Ende März 1999
nicht weniger als 6,7 Millionen Abonnenten in Großbritannien
(annähernd 30 Prozent der Fernsehhaushalte), die den Satelliten-Pay-TV-Sender
BSkyB empfingen, davon etwas mehr als die Hälfte 'direct
to home' (DTH) über eine Satellitenschüssel auf dem
Dach, der Rest über Großbritanniens expandierende
Kabelinfrastruktur. BSkyB wurde praktisch Großbritanniens
"dritte Kraft" im Fernsehen. Darüber hinaus hat
BSkyB am 1. Oktober 1998 SkyDigital, seine Plattform für
das digitale Satellitenfernsehen, gestartet. In den ersten sechs
Monaten seines Betriebes, konnte SkyDigital über eine halbe
Million Abonnenten verzeichnen, davon waren 39 Prozent Neu-abonnenten.
Die anderen haben von den analogen Diensten BskyBs gewechselt.
Eine Plattform für das terrestrische Digitalfernsehen ON-digital,
im Besitz von zwei führenden Firmen der ITV, wurde am 15.
November 1998 gestartet. Der größte britische Kabelbetreiber,
Cable and Wireless Communications will seinen digitalen Dienst
im Sommer 1999 ins Leben rufen. Nach einem verlängerten
schleppenden Start ist das Breitbandkabel in den letzten Jahren
richtig in Gang gekommen. Anfang 1999 waren 12 Mio. Haushalte
an das Kabelnetz angeschlossen und 3 Mio. Haushalte abonnierten
Kabelfernsehen. Das entspricht etwa zwölf Prozent der britischen
Fernsehhaushalte.
Die 1996 unter der Regierung John Majors erfolgte Erneuerung
der Royal Charter der BBC signalisierte Kontinuität, die
es der Rundfunkanstalt nach einem Jahrzehnt erheblicher Unsicherheit
erlaubt, mit einiger Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Doch
die BBC hat auch einen beträchtlichen Wandel durchgemacht.
Die Organisation wurde unternehmerischer, marktorientierter und
ist ein bedeutender Anbieter neuer digitaler Dienste geworden.
Channel 4 ist immer noch eine interessante Kreuzung aus dem öffentlichen
und dem kommerziellen Sektor. Der Sender ist ökonomisch
erfolgreich, dennoch bleibt er eine öffentlich-rechtliche
Organisation, die sich ihren speziellen Minderheiten und kulturellen
Aufgaben verschrieben hat. Die britischen Betreiber der ITV sind
noch immer an einige öffentlich-rechtliche Auflagen gebunden,
die Rundfunkgesetze der 90er brachten aber grundlegende Veränderungen
mit sich: nennenswert mehr Wettbewerb, eine leichtere Hand bei
der Regulierung und eine Lockerung der Eigentumsregelungen. 1997
startete Channel 5, ein fünfter terrestrischer Sender, der
sich in Privatbesitz befindet und kommerziell finanziert wird.
Die etablierten britischen Sender haben grundlegende Veränderungen
erlebt und sie sehen sich in der Zukunft entscheidenden wirtschaftlichen
Herausforderungen gegenüber.
Kontinuität und Wandel haben auch die Rundfunkpolitik
geprägt. Die Rundfunkstrategie von New Labour ist seit dem
Regierungsantritt 1997 ganz pragmatisch; die New Labour-Regierung
unter Premierminister Tony Blair zeigte keine Eile, ein eigenes
Rundfunkgesetz zu erarbeiten. Eine Arbeitsunterlage von 1998
zur "Konvergenz" der Kommunikationssektoren empfiehlt
ein evolutionäres, gewachsenes Herangehen an die Gesetzesreform.
In der ersten Hälfte ihrer Legislaturperiode hat sich die
Rundfunkpolitik von New Labour darauf konzentriert, in Zusammenarbeit
mit Industrie und den Regulierungsorganen Maßnahmen zur
Einführung digitaler Technologie zu ergreifen und den besten
Weg zu ermitteln, wie der öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in der digitalen Zukunft unterstützt und die BBC finanziert
werden könne.
Diesem Beitrag liegt eine im wesentlichen chronologische Gliederung
zugrunde. Im ersten Abschnitt wird die historische Entwicklung
der für Großbritannien charakteristischen Rundfunkinstitutionen
und -strukturen dargestellt. Danach wird detaillierter auf die
wichtigsten rechtlichen und organisatorischen Merkmale des Duopols
von BBC und ITV/C4 eingegangen. Dann werden einige Probleme und
Zwänge untersucht, mit denen das Duopol während des
Thatcherismus der 80er Jahre konfrontiert war. Hieran schließt
eine Analyse der durch die Rundfunkgesetze von 1990 und 1996
herbeigeführten wichtigen Reformen an, wobei die im Zuge
des Gesetzes von 1996 erfolgte Reform des Rechts betreffend die
Besitzverhältnisse im Medienbereich wie auch die Vorkehrungen
des Rundfunkgesetzes von I996 für die Einführung digitalen
terrestrischen Fernsehens gesondert untersucht werden. Es folgt
ein Blick darauf, wie die BBC den Herausforderungen der 80er
und 90er Jahre begegnet ist. Die BBC bleibt die tragende Säule
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Großbritannien.
Allerdings hat sie sich gewandelt zu einer auch stärker
unternehmerisch und kommerziell handelnden Organisation. Dieser
Abschnitt untersucht zudem die Auswirkungen der Machtübernahme
von New Labour im Jahr 1997 für die BBC. Der letzte Abschnitt
des Beitrags beleuchtet die Hauptfragen der Rundfunkpolitik,
die sich der neuen Regierung stellen, namentlich die Frage danach,
wie der digitale Fernsehmarkt zu fördern ist und die Konsequenzen,
die die "Konvergenz" der Sektoren Rundfunk, Telekommunikation
und Informationstechnologie (IT) auf die Regulierungspolitik
hat. Abschließend wird das Internet kurz erörtert.
Historische Entwicklungoder zum Seitenanfang
Der Anspruch des britischen Rundfunksystems auf seine besondere
Originalität beruhte bis in die jüngste Vergangenheit
auf seiner besonderen dualen Organisationsstruktur. Der 1927
gegründeten, öffentlich-rechtlichen British Broadcasting
Corporation (BBC) wurde 1954 ein privater, kommerzieller Sektor,
Independent Television (ITV), zur Seite gestellt, viel früher
als in anderen europäischen Ländern (mit der Ausnahme
Luxemburgs). Dieses Duopol wurde weithin als großer Erfolg
betrachtet: Wie die BBC, so fühlte sich auch ITV verpflichtet
zu hoher Programmqualität einerseits und Ausgewogenheit,
Überparteilichkeit und Staatsferne andererseits.
Der Schlüssel zum Erfolg dieses "dualen Systems"
liegt in der geschichtlichen Entwicklung einer speziell britischen
Tradition öffentlichen Rundfunks. Ihr leitendes Prinzip
wurde erstmals in dem Crawford Report von 1925 ausdrücklich
formuliert, welcher den Weg für die Anerkennung der zuvor
privaten BBC als öffentliche Rundfunkanstalt im Jahre 1927
bereitete: Das Rundfunkwesen sollte der Verantwortung einer öffentlichen
Anstalt obliegen, die "als Treuhänder des nationalen
Interesses handelt, und ihre Statuten und Pflichten sollten denjenigen
einer auf dem Gebiet der öffentlichen Daseinsvorsorge tätigen
Einrichtung entsprechen".
Die Hauptfrage, die dem ersten nach dem Krieg eingesetzten
(Beveridge) Comittee of Inquiry tuto British Broadcasting (1949-51)
vorgelegt wurde, betraf die "Monopolmacht" der weitgehend
unkontrollierten Bürokratie der BBC. Dieses Monopol wurde
1954 von einer konservativen Regierung gebrochen, die das kommerzielle
Fernsehen einführen und es dadurch einer starken Werbelobby
ermöglichen wollte, der schnell wachsenden Konsumgesellschaft
gegenüberzutreten. Indessen entlehnte die neue Independent
Television Authority ITA (später IBA), die zur Regulierung
des kommerziellen Fernsehens geschaffen worden war, ihr Leitprinzip
der verantwortungsvollen Überwachung dem Ethos und der Tradition
der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie sie die BBC während
der Entstehung ihres Monopols entwickelt hatte. Das Prinzip des
"Treuhänders des nationalen (und daher öffentlichen')
Interesses" wurde hochgehalten, diesmal von der ITA, die
den Rundfunk der direkten staatlichen Kontrolle entrückte.
Rechtliche Grundlagen oder zum Seitenanfang
Die Rechtsprinzipien des britischen Rundfunkwesens gründen
sich nicht auf verfassungsrechtliche Vorschriften, sondern auf
eine sich fortlaufend entwickelnde Praxis.
Rechtliche Grundlagen der BBC waren stets die königliche
Konzession Royal Charter und die sie ergänzenden Rundfunklizenzen.
Die königliche Konzession bestimmt im Allgemeinen Ziele,
Funktionen, interne Organisation und Finanzierung der Organisation
und schreibt ihren Charakter als "Einrichtung der öffentlichen
Daseinsvorsorge" eindeutig fest. Der Code of Practice der
BBC legt Grundsätze der Ausgewogenheit und Unparteilichkeit
fest sowie die Pflicht, zu informieren, zu bilden und zu unterhalten.
Lizenz und Vertrag, die vom zuständigen Minister (zurzeit
der Minister für Kultur, Medien und Sport) ausgestellt wurden,
regeln den Betrieb im Detail. Theoretisch behält der Staat
(die Regierung) eine fast uneingeschränkte Macht über
die Organisation: Der Minister ist zum Entzug der betreffenden
Lizenz berechtigt: das Parlement (d. h. tatsächlich die
Regierung) kann die Fernsehgebühr festsetzen; der Staat
hat somit weitreichende Möglichkeiten. die Programmgestaltung
zu beeinflussen, ja Zensur auszuüben. In der Praxis aber
ist freiwillige Enthaltsamkeit auf Seiten des Staates Teil eines
gut entwickelten politischen Konsenses über das britische
Rundfunkwesen. Das Anliegen, die Politisierung des Rundfunks
zu vermeiden, findet rechtlichen Niederschlag in dem Gebot einer
ausgewogenen politischen Berichterstattung, in dem Verbot politischer
Kommentierung sowie dem Gebot, den politischen Parteien bei Wahlen
angemessene Sendezeiten bereitzustellen.
Anders als die BBC beruht der kommerzielle Rundfunk auf Rechtsgrundlagen
parlamentarischen Ursprungs. Der Television Act von 1954 schuf
die Independent Television Authority (ITA); hierbei handelte
es sich um die höchste Regelungsinstanz, die über die
"föderale" Struktur von 15 regionalen Gesellschaften
des unabhängigen Fernsehens Independent Television (ITV)
wachte. In London gibt es zwei Gesellschaften: Die ITA wurde
durch den Broadcasdng Act 1973 in die Independent Broadcasting
Authority (IBA) umgewandelt, und die Regelungsbefugnis wurde
auf kommerzielle lokale Radiosender (Independent Local Radio
- ILR) ausgeweitet. 1990 wurde die IBA dann in Independent Television
Commission (ITC) umbenannt und ein neues Rundfunksgremium zur
Überwachung der achtzig (1999: 223) unabhängigen Hörfunksender
gegründet. Wie weiter unten gezeigt wird, sollte die ITC
weniger stark regelnd eingreifen als die IBA; In der Praxis jedoch
hat sich, entgegen der Absicht der Thatcheranhänger, kaum
etwas verändert.
Die IBA unterlag, wie die BBC, der Hoheitsgewalt des Innenministers
und war theoretisch ebenfalls der staatlichen Kontrolle ausgesetzt;
auch hier wurde jedoch diese Gewalt niemals ausgeübt; allerdings
gelten dieselben Grundsätze über politische Inhalte
und Unparteilichkeit. Die etwas enger definierte rechtliche Grundlage
der IBA hat gewährleistet, dass dieses Gremium stets eine
sichere Kontrolle über die kommerziellen Sender auszuüben
vermochte. Dementsprechend hat die IBA die Strukturen des unabhängigen
Radio- und Fernsehsystems festgelegt sowie Übertragung,
Werbung und Programmgestaltung streng überwacht. Dabei wurde
sie durch zwei rechtliche Sanktionsmöglichkeiten gestützt,
nämlich die Befugnis, Rundfunklizenzen zu entziehen oder
nicht zu verlängern. Von letzterer Befugnis ist gelegentlich
Gebrauch gemacht worden. Bei der Auswahl der Lizenznehmer war
die IBA verpflichtet, einen "angemessenen Wettbewerb"
und eine Rückkoppelung mit der Öffentlichkeit zu sichern.
Sowohl BBC als auch IBA waren an die staatlichen Gesetze gebunden,
z. B. das Gesetz über die Beziehungen zwischen den Rassen,
das Gesetz gegen Diffamierung, das Gesetz betreffend Missachtung
des Gerichts und du Gesetz über Staatsgeheimnisse.
Organisatorische Grundlagen und Entwicklung des britischen
Rundfunks
oder zum Seitenanfang
Die Unabhängigkeit des britischen Rundfunks rührte
teilweise von der Existenz zweier gewissermaßen autonomer,
als "Wachhunde" fungierender Gremien her, die eine
weitgehende Freiheit bei der Entscheidungsfindung, der Ämterbesetzung
sowie der Programmgedaltung genossen: dem Board of Governors
der BBC und der Independent Broadcasting Authority (der jetzigen
ITC).
Der Board of Governors der BBC ist ein Leitungsgremium, das
aus zwölf Mitgliedern besteht, die durch den Kronrat (Queen
in Council) ernannt, aber in Wirklichkeit von der Regierung nach
Beratung mit der parlamentarischen Opposition und der BBC vorgeschlagen
werden. Die Mitglieder werden aufgrund erwiesener Unabhängigkeit,
Kompetenz und langjährigen Dienstes für die Öffentlichkeit
für eine fünfjährige Amtszeit ausgewählt.
Die beiden großen politischen Parteien haben die Zusammensetzung
des Board of Governors niemals angegriffen; auch dies ist ein
Zeichen des bestehenden Konsenses darüber, dass der britische
Rundfunk nicht politisiert werden sollte.
Das Gremium, das rechtlich ein Organ der BBC ist, hat weit
reichende allgemeine Befugnisse. Sein gewichtigster Einfluss
rührt von seiner Macht bei der Ämterbesetzung her,
insbesondere von der Befugnis zur Ernennung des Generaldirektors,
der die tatsächliche Weisungsmacht in der Organisation ausübt
und dem Verwaltungsrat vorsteht. Der Generaldirektor wurde stets
vom Board of Governors bei seinen Verhandlungen mit der Regierung
unterstützt - ein Beweis dafür, dass die BBC gegenüber
äußerem Druck Geschlossenheit zeigen kann.
In Schottland, Wales und Nordirland teilen sich "Nationale
Rundfunkräte" die Aufgabe, den öffentlichen Rundfunk
den dortigen besonderen Bedürfnissen anzupassen. Die Finanz-
und Aufsichtsgewalt verbleiben letztlich jedoch zentralisiert
in London. Die BBC verfügt über eine Vielzahl von Beratungsgremien;
deren wichtigste sind: der Allgemeine Beratungsausschuss, der
die Öffentlichkeit repräsentiert, die acht regionalen
Beratungsausschüsse, die die Regionen vertreten, und der
Ausschuss für Beschwerden über den Rundfunk.
Die IBA war (und die ITC ist es jetzt) ähnlich strukturiert,
mit zwölf unmittelbar vom verantwortlichen Minister (derzeit
dem Minister für Kultur, Medien und Sport) ernannten Mitgliedern,
von denen drei Schottland, Wales und Nordirland vertraten. Die
IBA war Eigentümerin und Betreiberin der Sender von ITV
und ILR - hierin lag eine der Hauptaufgaben der etwa 1500 Mitarbeiter.
Als die IBA als Folge des Rundfunkgesetzes von 1990 jedoch in
die ITC umgewandelt wurde (siehe weiter unten), verlor sie ihre
vorherige Funktion als Sendeanstalt. Tatsächlich ging diese
Funktion allerdings lediglich auf die privatisierte technische
Abteilung der ehemaligen IBA, die National Transcommunication
Limited, über. Zusätzlich zu den schon erwähnten
Aufsichtsfunktionen befasste sich die IBA sehr intensiv mit der
Programmgestaltung des ITV, wodurch gewährleistet war, dass
ein vielfältiges Programmangebot ausgestrahlt und Raum für
Bildung, Information, Dokumentation usw. reserviert wurde.
Demnach ist deutlich, dass das kommerzielle Fernsehen Großbritanniens
aus zwei unterschiedlichen Elementen bestand. Dies war zum einen
die IBA, ein ähnliches Gremium wie der Board of Governors
bei der BBC, und zum anderen eine Anzahl von privatwirtschaflichen
Unternehmen, die ihrerseits von der IBA überwacht wurden.
Diese Unternehmen finanzierten sich völlig unabhängig
und erzielten ihre Gewinne ausschließlich durch Werbespots,
was nach allgemeiner Meinung die nachteiligen Auswirkungen des
kommerziellen Fernsehens minimiert. Die Unternehmen führten
einen bestimmten Teil ihrer Einkünfte zugunsten der Betriebskosten
der IBA sowie eine Abgabe an den Fiskus ab. Die fünf großen
Rundfunkgesellschaften - nämlich Thames, London Weekend,
Central, Granada und Yorkshire - stellten etwa 50 Prozent der
ITV-Sendungen. Die Nachrichtenagentur Independent Television
News ITN jedoch war bis vor kurzem eine gemeinnützige Gesellschaft,
welche die Unternehmen des ITV mit einem Angebot nationaler und
internationaler Berichterstattung versorgte. Mittlerweile ist
die ITN eine eigenständige private Handelsgesellschaft,
die 1993 aus den ITV-Gesellschaflen herausgelöst wurde.
Sie versorgt die ITV jedoch weiterhin mit ihrem Nachrichtendienst.
Der Umstand, dass die finanziellen Fundamente von ITV und
BBC unterschiedlicher Art sind, verringerte nach allgemeiner
Auffassung das Niveau schädlichen Wettbewerbs zwischen ihnen.
Das "duale System" des britischen Rundfunkwesens
funktionierte auf eine eigenartig symbiotische Weise und sicherte
ein Gleichgewicht des Wettbewerbs, Pluralismus und Sensibilität
für sich wandelnde soziale Erfordernisse; dabei arbeitete
es in einer langen und nachweislichen Tradition der öffentlichen
Daseinsvorsorge und der Unabhängigkeit vom Staat. Trotzdem
haben Kritiker schon sehr früh dargelegt, dass der Wettbewerb
auch negative Auswirkungen hervorgebracht hat, insbesondere die
"Einebnung" des Unterschieds zwischen kommerziell und
öffentlich finanziertem Fernsehen In der Folge wurde - Empfehlungen
der BBC und des Pilkington Reports aufgreifend - der BBC in den
60er Jahren ein zweiter Kanal (BBC 2) zugeteilt, ein Kanal, welcher
zum zunehmend am "niederen Markt" orientierten Kanal
BBC 1 ein Gegengewicht setzen sollte.
Die 60er Jahre waren eine Zeit beträchtlichen Wandels.
Man kann die Einführung zunächst des ITV, dann des
Kanals BBC 2 und einer großen Zahl - sowohl kommerziell
als auch öffentlich finanzierter - lokaler Radiosender als
strukturelle Anpassung an die zunehmend heterogene und pluralistische
Gesellschaft der Nachkriegszeit betrachten. Jedoch eilte der
soziale und politische Wandel diesem Anpassungsprozess stets
etwas voraus, und der Rundfunk wurde erheblicher Kritik und Anfechtung
unterzogen. Dies veranlasste das Annan Committee on the Future
of Broadcasting (1977), ein ganzes Kapitel seines Berichts dem
"Wandel des Meinungsklimas in Großbritannien"
zu widmen. Der Annan-Bericht hat den Weg für eine bedeutsame
Neuerung - einen weiteren Fernsehkanal - bereitet, um mehr Vielfalt,
mehr Ausdrucksmöglichkeiten für Minderheiten, neue
Gedanken und mehr Experimente zu ermöglichen. 1982 wurde
schließlich ein zusätzlicher kommerzieller Kanal,
Channel 4, geschaffen und der IBA zugeteilt, welche zum alleinigen
Aktionär wurde. Auch wurde ein Kanal für Wales, S4C,
eingerichtet. Die 80er Jahre brachten außerdem die Einführung
des "Frühstücksfernsehens" in Gestalt des
Breakfast TV der BBC und des TV AM des Independent Television.
In der letzten Lizenzrunde 1991 (s.u.) war TV AM eine der vier
Gesellschaften, die ihre Lizenz verloren - an GMTV, einen Produzenten
für Frühstücksfernsehen. Die Teletext-Angebote
Oracle des ITV und Ceefax der BBC haben Mitte der 70er Jahre
mit regelmäßigen Leistungen begonnen.
Der britische Rundfunk unter Druck in den 80ern oder zum Seitenanfang
Die vom "Thatcherismus" geprägten 80er Jahre
waren aus verschiedenen Gründen ein ungemütlicher Zeitraum
für die Rundfunksender. Sie waren Druck politischer, finanzieller
und ideologischer Art ausgesetzt. So entbrannten anhaltende Meinungsverschiedenheiten
zwischen den Sendern und der Regierung über Sendungen zu
"sensiblen Themen", die Angelegenheiten der nationalen
Sicherheit und insbesondere Nord-lrland berührten.
In den von der Thatcher-Politik bestimmten achtziger Jahren
geriet die Gesellschaft in ein ideologisches Klima des Glaubens
an die "Freie Marktwirtschaft" und der Orientierung
an kommerziellen Werten. Die Regierung suchte dementsprechend
nach drastischen Lösungen für die finanziellen Probleme
und die angeblich mangelnde Effizienz der Sender. Mit diesem
Ziel berief die Regierung die Kommission unter dem Vorsitz eines
bedeutenden Experten für freie Marktwirtschaft, Sir Alan
Peacock, ein, die nach alternativen oder zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten
der BBC suchen sollte.
Die BBC und die ITV- und IRL-Gesellschaften gerieten angesichts
der Möglichkeit, dass die BBC zukünftig gezwungen sein
könnte, Werbung zu bringen, in plötzliche Unruhe. Bis
dato war das Prinzip des Wettbewerbs um Programmqualität
bei voneinander getrennten Finanzierungsquellen von Fernsehgebühren
und Werbung weithin als wesentlicher Bestandteil des Erfolgs
des "dualen Systems" in der öffentlichen Rundfunkversorgung
Großbritanniens betrachtet worden.
Im Juni 1986 veröffentlichte der Peacock-Ausschuss seinen
Bericht. Im Endeffekt lehnte er die Einführung von Werbung
bei der BBC ab, befürwortete aber ernsthaft die Einrichtung
eines Pay-TV-Systems (Abonnement oder "Pay-as-you-view").
Die Regierung führte umgehend eine spezielle Untersuchung
hinsichtlich dieser besonderen Möglichkeit durch. Der Peacock-Bericht
gab noch eine Reihe weiterer Empfehlungen, darunter die Registrierung
der Fernsehgebühr im Einzelhandelspreisindex und die Privatisierung
der BBC-Programme Radio I und 2. Der Bericht empfahl auch, daß
ITV-Konzessionen in Zukunft in einem Bieterverfahren versteigert
werden sollten (diese Empfehlung wurde später von der Regierung
umgesetzt, siehe unten). Im großen und ganzen war das Leitmotiv
des Berichts, dass der öffentliche Rundfunk sich mehr dem
Wettbewerb öffnen müsse.
Entsprechend verkündete der konservative Innenminister
Douglas Hurd im Januar 1987, dass die Regierung die Möglichkeit
einer Einführung von Werbung bei der BBC ablehne. Gleichzeitig
kündigte er ein neues System der Festsetzung der Fernsehgebühren
an. Vom April 1988 an würde die Gebühr künftig
entsprechend der allgemeinen Preissteigerung steigen. Aus Sicht
der BBC bestand hierbei das Problem allerdings darin, dass die
Preissteigerungen in der Rundfunkindustrie die allgemeine Inflationsrate
deutlich übertrafen. Während die Gebühreneinnahmen
der BBC in den vergangenen Jahren real zurückgegangen waren,
stiegen die Preise für zentrale Programmkategorien - wie
Filme und die Rechte an Sportübertragungen - stark an. Dies
wiederum erhöhte den Druck auf das BBC-Management, interne
Rationalisierungen voranzutreiben.
Auch die ITV-Gesellschaften brachte Hurd gegen sich auf, als
er seine Entschlossenheit bekanntgab, Anfang der 90er Jahre den
sogenannten "unabhängigen" Programmproduzenten
(Produzenten außerhalb des bestehenden Sendenetzes) Zugang
zu rund 25 Prozent der vier britischen Fernsehkanäle zu
verschaffen. Dem war intensiver Druck seitens der Association
of Independent Producers vorausgegangen, zudem stützte sich
dies auf Empfehlungen des Peacock-Komitees. Bis dahin war die
BBC für unabhängige Produzenten nahezu uneinnehmbar
gewesen. Man schien allgemein anzuerkennen - nicht zuletzt wegen
des Erfolges von Channel 4, einem Großabnehmer unabhängiger
Produktionen -, dass die unabhängigen Produzenten eine wichtige
Errungenschaft im britischen Rundfunkwesen sind und gefördert
werden sollten.
Erste Schritte in Richtung "New Media" oder zum Seitenanfang
Die konservative Regierung von Margaret Thatcher verband den
qualitativ neuartigen Glauben an eine "Regulierung durch
die Kräfte des Marktes" mit dem Optimismus bezüglich
der nützlichen industriellen und wirtschaftlichen Vorteile
der neuen Informationstechnologien. Das schnelle Lancieren einer
"von der Unterhaltungsindustrie angeführten Kabelrevolution"
sollte dadurch gefördert werden, dass man das Rundfunkwesen
den "Kräften des Marktes" öffnete. Der stark
reglementierte öffentliche Rundfunk wurde dem Wettbewerb
eines nur leicht regulierten Kabelfernsehens ausgesetzt.
Das Kabel- und Rundfunkgesetz von 1984 markierte einen ersten
scharfen Bruch mit der Tradition des öffentlichen Rundfunks.
Besonders bemerkenswert ist, dass es ein neues Aufsichtsgremium
einsetzte, die Cable Authority, um Kabelfernsehen nur mit einer
lediglich "leichten Hand" zu steuern. Ausdrückliche
Aufgabe dieser Körperschaft war es, das Wachstum eines neuen,
marktorientierten Sektors des Rundfunks durch sachte Steuerung
zu fördern. Der Beschluss sorgte ferner für eine direkte
Rundfunkausstrahlung über Satelliten (DBS), die in ähnlicher
Weise unter einem lockeren Aufsichtsgremium arbeiten sollte.
Im Laufe des Jahres 1986 kündigte die konservative Regierung
an, dass eine Konzession für den Gebrauch eines britischen
DBS-Satelliten durch die IBA ausgeschrieben und vergeben würde.
Im Dezember vergab die IBA eine fünfzehnjährige Konzession
für drei neue nationale Fernsehkanäle - finanziert
durch eine Mischung von Werbung und Subskription -, an ein Konsortium
namens British Satellite Broadcasting (BSB), das sich aus einem
Aufgebot führender britischer Kommunikationsgesellschaften
zusammensetzte. Hierzu zählten auch Granada, eine riesige
Gesellschaft, die Granada TV produziert, sowie Anglia Television,
eine Gesellschaft der ITV.
Die British Satellite Broadcasting (BSB) erlebte eine Reihe
unangenehmer Verzögerungen. Im Februar 1989, über ein
Jahr bevor die BSB endlich ihren Betrieb aufnahm, startete der
Sender Sky TV von Rupert Murdoch seine Satellitenübertragungen
via Astra-Satellit, der von seiner Basisstation in Luxemburg
aus operierte, d.h. außerhalb der britischen Gerichtsbarkeit.
Sky verfügte über vier Kanäle: Sky News, Sky Sport,
Sky Movies und den Unterhaltungskanal Sky One. Sky TV erhielt
dadurch einen Vorsprung und nutzte diesen, um die BSB auszustechen.
Auch wurde sehr bald deutlich, dass der britische Satellitenfernsehmarkt
keine zwei Konkurrenten tragen konnte. Gestützt durch Murdochs
riesiges internationales Unternehmen News Corporation Ltd. war
Sky eindeutig der stärkere Rivale. 1990 fusionierten die
zwei Kanäle zu einem einzigen Unternehmen, BSkyB, das nun
zur Hälfte Murdoch gehörte und von ihm effektiv kontrolliert
wurde. Inzwischen ist BSkyB ein äußerst erfolgreicher
Pay-TV-Satellitensender. Im Mai 1999 verkündete BSkyB einen
Gewinn vor Abzug der Steuern von 271 Mio.£ für das
Geschäftsjahr 1997/98. Der Gewinn vor Steuern in den ersten
neun Monaten des Geschäftsjahres i998/99 betrug 69 Mio.
£. Die Abnahme spiegelt die enormen Investitionen für
SkyDigital wider (s.u.). Am 8.August 1994 war BSkyB an die Londoner
und die New Yorker Börse gegangen. Dadurch verringerte sich
der Anteil von Rupert Murdochs News International auf 40 Prozent.
Allerdings bleibt BSkyB faktisch weiterhin unter der Kontrolle
von News International, die auch im Besitz des einzigen Verschlüsselungssystems
für Satellitenfernsehen in Großbritannien (video-crypt)
ist. Außerdem betreibt es das verbreitetste Abonnenten-Abrechnungssystem
für Pay-TV in Großbritannien. Aufgrund der Kontrolle
dieser Zugangssysteme stellt BSkyB im britischen Pay-TV für
andere Programmanbieter den zentralen ,gate-keeper' dar. Es bietet
auch zehn eigene Hauptkanäle an, darunter drei Film- und
drei Sportkanäle. Die BskyB-Kanäle liefern zugleich
die Hauptanteile des Kabelfernsehprogramms in Großbritannien.
Gegenwärtig diversifiziert BSkyB in digitales Fernsehen.
Im Unterschied zum Satellitenfernsehen ist die britische Kabelfernsehindustrie
vergleichsweise langsam in Gang gekommen. Die Kabelindustrie
in Großbritannien musste ohne staatliche Unterstützung
auskommen, und Ende der 80er Jahre waren die Kabelunternehmen
konfrontiert mit der ernsthaften Konkurrenz durch BSkyBs Übertragungsweg
des Satelliten-Direktempfangs. Vielversprechende Wachstumsraten
stellten sich in der rein marktorientierten Kabel-Branche daher
erst ab 1990 ein, als die britischen vorschriften über die
Telekommunikation in der Weise gelockert wurden, dass Kabelbetreiber
auch Telefondienste anbieten durften. Anfang 1990 waren nur knapp
über anderthalb Millionen britische Haushalte an das Kabelnetz
angeschlossen und nur 300.000 nutzten Kabel. Mit dem Beginn des
Jahres 1999 waren es zwölf Millionen - etwas mehr als die
Hälfte - angeschlossene britische Haushalte und rund drei
Millionen hatten Kabelfernsehen abonniert. Die drei größten
Kabelbetreiber sind Cable and Wireless Communications, Telewest
und NTL. Der Hauptgrund für die - zumindest im Vergleich
mit einigen kontinentaleuropäischen Staaten - geringe Rate
von nur einem Abonnenten pro vier angeschlossene Haushalte, liegt
darin, dass daß Kabelfernsehen in Großbritannien
hauptsächlich Pay-TV ist. Dennoch weißt der Anstieg
in den 90er Jahren darauf hin, dass das Kabelfernsehen Gang gekommen
ist. Insgesamt lag der Zuschaueranteil von Kabel- und Satellitenfernsehen
in dem am 31 März 1999 beendeten Jahr bei über 13 Prozent.
Die Reform der ITV oder oder zum Seitenanfang
Gegen Ende ihrer Amtszeit als Premierministerin leitete Margaret
Thatcher die heftigst umstrittene Reform ihrer Rundfunkreformen
insgesamt ein: Es ging um die Reform des ITV-Sektors des dualen
Systems. Ziel war die Einführung umfassender Prinzipien
der freien Marktwirtschaft bei der ITV. Nach der Veröffentlichung
eines Weißbuchs, das dramatische Veränderungen ankündigte,
wurde dem Parlament im November 1989 ein Rundfunkgesetzentwurf
vorgelegt. Die BBC war nicht direkt von der Gesetzesvorlage betroffen,
da deren Satzung erst im Jahre 1996 ablief (s.u.).
Als eine der strittigsten Maßnahmen sah der Gesetzentwurf
eine radikale Veränderung im Verfahren der Vergabe von ITV-Lizenzen
vor. In der Vergangenheit hatte die IBA die Lizenzen zwar nach
eher ,geheimen Beratungen' zugewiesen, doch dabei auf qualitativ
hochwertige Programmgestaltung Wert gelegt. Nachweislich qualitative
Programme waren für die Lizenzverlängerung ein wichtiges
Kriterium. Zweifellos erklärt dieser Umstand den auf internationaler
Ebene über einen langen Zeitraum hinweg gleichbleibenden
Ruf der ITV Gesellschaften (wie Granada TV und Thames TV), hochwertiges
Fernsehen zu liefern. Nun allerdings sah der Gesetzentwurf vor,
mittels eines Auktionsverfahrens dem höchstbietenden Bewerber
die Lizenz zu erteilen, also demjenigen, der das meiste Geld
einsetzen konnte. Es wurde allgemein befürchtet, dass sich
diese gänzlich vom Thatcherismus geprägte Erneuerung
ausgesprochen nachteilig auf die Qualität der Programmgestaltung
des ITV-Sektors auswirken würde.
Eine weitere umstrittene Neuerung der Gesetzesvorlage sah
vor, die IBA und die Cable Authority durch eine neue Regulierungskörperschaft,
die Independent Television Commission (ITC), zu ersetzen Die
Hörfunkkontrolle sollte ein neu gebildetes Radiogremium
übernehmen. Die ITC sollte nicht nur die Lizenzvergabetätigkeit
fortsetzen, sondern auch die ITV-Gesellschaften - inzwischen
Channel 3 genannt- beaufsichtigen. Die Funktionen der ITC sollten
bezeichnender Weise schlicht auf eine Regulierungsfunktion begrenzt,
die vormals bestehenden Eingriffsmöglichkeiten der IBA in
die Programmplanung abgeschafft werden. Es gab Befürchtungen,
dass dies ebenfalls zur unkontrollierten Komerzialisierung des
ITV-Sektors beitragen würde.
Eine andere radikale Innovation betraf die Sonderrolle des
Minderheiten- und kulturorientierten Senders Channel 4 innerhalb
der ITV-Gesellschaften. Die IBA sollte nicht länger Eigentümer
von Channel 4 sein und Channel 4 nicht länger lediglich
auf das Ausstrahlen von Werbung für ITV beschränkt
bleiben. Stattdessen war vorgesehen, Channel 4 als unabhängigen,
privaten und kommerziellen Kanal arbeiten zu lassen, der seine
eigene Werbung sendet. Allgemein wurde befürchtet, dass
Channel 4 hierdurch seine besondere Identität als öffentlich-rechtliche
Anstalt verlöre und sich durch die Erfordernisse des Wettbewerbs
in einen ganz und gar kommerziellen Kanal verwandele.
Die Änderungen fielen letztlich harmloser aus als allgemein
erwartet. Im Parlament büßte die Gesetzesvorlage ihre
ausgeprägte Thatcher-Qualität ein, da Abgeordnete einer
überparteilichen Koalition an der Aufrechterhaltung der
Werte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festhielten.
Begleitet von einer energisch ausgetragenen und lautstarken außerparlementarischen
Kampagne im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
gelang es ihnen, eine entscheidende Qualitätshürde
in den Gesetzentwurf einfügen zu lassen, der schließlich
Ende 1990 verabschiedet wurdet. Die Verpflichtung auf Qualität
schloss die satzungsmäßigen Forderungen ein, dass
die Sender qualitativ hochwertigen Informations- und Nachrichtensendungen
hinreichend Sendezeit einräumen und ein breites Spektrum
unterschiedlicher Programme anbieten sollen, die den verschiedensten
Interessen und Geschmacksrichtungen zusagen. Die ITV (Channel
3) erhielt den Auftrag, weiterhin angemessene Regionalprogramme
zu liefern, wobei diese öffentlich-rechtliche Programmgestaltung
nicht auf die schlechteren Sendezeiten' d.h. außerhalb
der Spitzenzeiten, beschränkt werden dürfe, obwohl
der Anteil innerhalb der vorgesehenen Zeiträume reduziert
werden kann. Wichtig waren außerdem Vorkehrungen, die zur
Aufrechterhaltung des ITV-Netzwerkes getroffen wurden. Hierfür
wurde ein neuer Zentralausschuss für die Programmgestaltung
gegründet. Anfangs war befürchtet worden, dass ein
Auseinanderfallen des nun im Wettbewerb eingebetteten Netzwerks
zugelassen würde.
Nach dem Gesetz von 1990 sollte Channel 4 seinen Minderheiten-
und Kulturauftrag behalten (wie auch der walisische Channel 4,
S4C) und in ein Unternehmen umgewandelt werden, dessen Vorstand
sich teils aus von der ITC ernannten Personen, teils aus Mitgliedern
der Geschäftsleitung zusammensetzt. Einnahmen sollen wie
bisher aus Werbeausstrahlungen bestritten werden. Allerdings
schuf das Gesetz für Channel 4 als Art "Sicherheitsnetz"
ein garantiertes Mindesteinkommen für den Fall, dass die
Einnahmen soweit zurückgehen, dass die Ausstrahlung seines
kultur- und minderheitenorientierten Programmes bedroht ist.
Bislang hat sich dieses "Sicherheitsnetz" als unnötig
erwiesen. Tatsächlich hat sich Channel 4 vom ersten Moment
als ökonomischer Erfolg erwiesen. 1998 hat die New Labour-Regierung
das Schema widerrufen, nach dem Channel 4 unnötigerweise
wie sich herausgestellt hat, verpflichtet war, hohe Versicherungsprämien
an die Gesellschafter von ITV zu zahlen. Channel 4 hat es geschafft,
einerseits wieder einen gesunden Gewinn abzuwerfen, und andererseits
seinen Auftrag zu erfüllen, sich als spannender und innovativer
Sender um die Belange sozialer Minderheiten zu kümmern und
die britische Kulturindustrie zu unterstützen.
Eine andere wichtige Neuerung war die Übernahme einer
ganzen Reihe von Maßnahmen gegen Medienkonzentration und
Eigentumsverflechtungen. Obwohl der Entwurf die entsprechenden
IBA-Regeln leicht abschwächt, gehörten sie zu den strengsten
Europas. Das Gesetz GAB FERNER dem Broadcasting Standard Council,
der ursprünglich 1987 gegründet worden war, eine rechtliche
Grundlage. Der Council soll die Darstellung von Gewalt u.a. im
Fernsehen kontrollieren und sicherstellen, dass ein gewisses
Niveau von Geschmack und Anstand eingehalten wird. 1996 wurde
der Broadcasting Standart Council mit der Behörde für
Fernsehprogrammbeschwerden, der Broadcasting Complaints Commission,
zur Broadcasting Standard Commission zusammengefasst.
Ein anderer Grund, warum die Reform gemäßigter
ausfiel, war, dass sich die ITC als eine abgeschwächte Ausgabe
der IBA herausstellte, die Kontinuität nicht nur im Personalbereich,
sondern auch hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Werte pflegt.
Es war vorerst nicht absehbar, ob sich die ITC - außer
im Kabel- und Satellitenbereich, was zweifellos ein wichtiger
Vorbehalt ist - tatsächlich zu einer nur wenig regelnd eingreifenden
Instanz entwickeln wurde. Das Ausmaß der Kontinuität
offenbarte sich, als die ITC im Oktober 1991 ihre Entscheidungen
über die Lizenzvergabe bekannt gab. Obwohl es unvermeidlich
einige fragwürdige Auswirkungen der neuen Gesetzgebung gab
(s.u.), konnte die ITC die schlimmsten Fehler eindämmen
und so innerhalb der ITV für einen hohen Grad an Stabilität
und Kontinuität sorgen.
Um die meisten Lizenzen gab es einen Wettbewerb. Ein beträchtlicher
Teil der neuen Lizenzanwärter hatte vor, in erster Linie
als kommerzieller "Programmverleger" zu operieren.
Das bedeutet, dass diese Gesellschaften - im Gegensatz zu den
traditionellen ITV-Gesellschaften, die in großem Umfang
auf hausinterne Produktionen angewiesen sind - den überwiegenden
Teil ihrer Programme anderweitig in Auftrag geben. Schließlich
erteilte das Lizenzvergabegremium zwölf der ursprünglich
16 ITV-Gesellschaften wieder eine Lizenz.
Die ITC vergab außerdem von den insgesamt 16 Frequenzketten
(fünfzehn Regional- und einem Frühstücksfernsehsender)
allein acht an solche Bewerber, die nicht die höchste Summe
geboten hatten. Unter ihnen befanden sich bekannte und für
Qualität bürgende Sender wie Granada TV, dessen Gebot
mit 9 Mio. Pfund deutlich unter den 35 Mio. Pfund seines Konkurrenten
lagen. Bekanntester Verlierer der Konzessionsvergaberunde war
das gleichfalls bekannte und für seine hohe Qualität
geachtete Thames TV. Es verlor die Lizenz für das lukrative
Londoner Wochentagsangebot an das höher bietende Carlton
TV. Schon vor der Lizenzvergaberunde spielte Carlton eine wichtige
Rolle auf dem Gebiet der Rundfunkanlagentechnik und war keineswegs
ein Neuling im audiovisuellen Sektor. Im Gegensatz zu Thames
TV machte Carlton jedoch kein Geheimnis aus seinem Vorhaben,
eher Aufgaben eines Programmverlegers einnehmen zu wollen als
an die Tradition der ITV-Gesellschaften anzuknüpfen. Trotz
des Verlustes von Thames TV war eine Änderung des ITV-Systems
kaum spürbar geworden. Thames TV hat übrigens derweil
seine Tätigkeit als einflussreicher unabhängiger Produzent
fortgesetzt, der die Industrie mit Programmen beliefert.
Zweifellos ernsterer Natur waren die weniger sichtbaren, aber
dennoch konkreten Änderungen, ein Erbe der Thatcher-Ära.
Die Betreiber der Sender gerieten in eine Periode großer
Ungewissheit, die offensichtlich ungewollte Auswirkungen hatte.
Vor allem aber erhöhte das Rundfunkgesetz von 1990 den ohnehin
bestehenden finanziellen Druck auf die ITV-Gesellschaften (Channel
3). Die meisten der ITV-Gesellschahen mussten hohe Beträge
einsetzen, um Ihre Konzessionen im Auktionsverfahren zu sichern.
Gleichzeitig mussten sie ihren Verpflichtungen gegenüber
dem Fiskus nachkommen, die nun aufgrund der Werbeeinnahmen berechnet
wurden. Das Gesetz entzog den Sendern zudem wirkungsvoll ihr
Werbemonopol durch die (zumindest zum Teil erfolgte) Umwandlung
von Channel 4 in einen kommerziellen Konkurrenten. Ferner sehen
sie sich jetzt durch die Einrichtung eines weiteren Kanals (Channel
5) und durch Kabel- und Satellitenfernsehen zukünftig mit
einem zunehmenden Wettbewerb konfrontiert. Letzteres kann allerdings
kaum auf das Rundfunkgesetz zurückgeführt werden: Die
ITV-Gesellschaften hätten sich auf Dauer wohl kaum dem Einfluss
der neuen Medien entziehen und ihre privilegierte Stellung wahren
können. Die ITV-Gesellschaften waren jedoch darüber
verärgert, dass BSkyB von den Statuten ausgenommen wurde,
denen sie weiterhin unterworfen sind.
All diese Faktoren könnten - auch angesichts der erhöhten
Steuern - dazu führen, dass die ITV (Channel 3) künftig
weniger Geld für kostenaufwendige Programmgestaltung wird
ausgegeben können. Die Gesellschaften hatten sich bereits
ohnehin auf den härteren Wettbewerb durch Rationalisierungen
in der Belegschaft und bedenklicherweise auch der eigenen Produktionskapazitäten
eingestellt. Diese interne Umorientierung und Neufestlegung der
Prioritäten zugunsten einer größeren Rentabilität
und eines besseren Kosten-Nutzen-Verhältnisses dürften
sich in beträchtlichem Maße nachteilig auf den in
der ITV herrschenden öffentlich-rechtlichen Ethos auswirken.
Nur die Zeit wird die tatsächlichen Auswirkungen zeigen.
Die Maßnahmen führten jedoch bereits zu Spannungen
in ITV's Beziehungen zur Belegschaft und beeinträchtigten
das Klima künstlerischer Kreativität.
Schließlich beförderte das Rundfunkgesetz von 1990
die Ausbreitung unabhängigen Radios in Großbritannien.
Es führte eine schwächere Regulierung des kommerziellen
Radiosektors ein und schuf eine neue Regulierungsbehörde,
die Radio Authority. Diese Behörde wird geleitet von sieben
Personen, die vom Minister für Kultur, Medien und Sport
unter ausgewogener Berücksichtigung unterschiedlicher sozialer
Interessen ernannt werden. Die Radio Authority hat drei Hauptaufgaben:
Frequenzen zu planen, Lizenzen zu vergeben und Programm und Werbung
zu regulieren. Das Rundfunkgesetz von 1990 verlieh der neuen
Behörde die Befugnis, Lizenzen für drei neue, unabhängige
nationale Radio-Networks (INR) zu erteilen. Wie bei den ITV-Lizenzen
erfolgte die Zuteilung in einem Bieterverfahren, wobei der höchste
Bieter zugleich die Radio Authority zu überzeugen hatte,
dass er einen zufriedenstellenden Dienst bereitstellen würde.
Im Oktober 1991 erhielt Classic FM die erste INR-Lizenz, obwohl
es lediglich das zweithöchste Gebot abgeben hatte. Classic
FM nahm im September 1992 den Sendebetrieb auf. Mit seinem Programm
populärer Klassischer Musik hat es sich als sehr erfolgreich
erwiesen und erreicht einen weiten Hörerkreis. Die zweite
INR-Lizenz ging an Virgin 1215 (auch nicht unter den Meistbietenden),
einen Rockmusik-Sender, der im April 1993 auf Sendung ging. Die
dritte INR-Lizenz erhielt ein "Talk-Radio". Talk Radio
UK sendet seit Februar 1995. Neben der Zulassung der ersten nationalen,
kommerziellen Radio-Networks, hat die Radio Authority fünf
Lizenzen für Independent Regional Radio (IRR) eingeführt
und die Zahl unabhängiger lokaler Radiostationen (ILR) auf
über 200 ausgeweitet. Einige von diesen bedienen ethnische
Minderheiten und besondere Musikgeschmäcker.
Die Reform der britischen Gesetzte zur Medien Konzentration
oder zum Seitenanfang
Im November 1993 gab der Minister für "National
Heritage", Peter Brook, eine grundsätzliche Änderung
der ITV-Konzentrationsregeln bekannt. Das Rundfunkgesetz von
1990 hatte bereits die frühere Gesetzgebung gelockert, die
einer Person oder Organisation lediglich eine ITV-Lizenz zugestand.
Das Gesetz von 1990 gestattete dann, dass ein einzelnes Unternehmen
zwei ITV-Lizenzen besitzen darf, sofern sich diese nicht auf
zusammenhängende Regionen oder zwei der größeren
Lizenzen bezogen. Die größeren ITV-Gesellschaften
vertraten jedoch die Auffassung, dass auch diese Restriktionen
sie in dem immer heftigeren internationalen Wettbewerb der Medienunternehmen
benachteiligen würden. Diese Meinung wurde vom Ministerium
für Handel und Industrie unterstützt. In der Folge
lockerte Peter Brook die Gesetze 1993 weiter, so dass ein Unternehmen
nun zwei beliebige ITV-Lizenzen halten kann. Dies gilt jedoch
nicht für London. Schnell folgte eine Serie von Fusionen
und Einkäufen auf dem ITV-Sektor. 1994 übernahm Carlton
Central TV, Granada den Sender LWT und MAI erwarb die Kontrolle
über Anglia. An den ersten beiden Fusionen waren die größten
Un-ternehmen des ITV-Netzwerks beteiligt. Beide Fusionen drohten
das 25%-Limit, das einzelnen Unternehmen am Fernsehwerbemarkt
erlaubt war, zu verletzen. Zusammengenommen erziehlten die drei
Fusionen mehr als zwei Drittel der ITV-Werbeeinkünfte. Trotzdem
übte Michael Heseltine, der Minister für Handel und
Industrie, sein Vorrecht aus, die Fusionen zu gestatten, ohne
die Monopol- und Fusionskomission einzuschalten.
Zu Beginn des Jahres 1994 kündigte Peter Brook eine Überprüfung
der Konzentrationsregeln an, die zu einer weiteren Lockerung
führen könnte. Hauptanliegen der Überprüfung
war zu untersuchen, ob es angemessen sei, die relativ starken
britischen Beschränkungen der Cross-Ownership aufrechtzuerhalten.
Eine Anzahl britischer Medienlobbyisten bedrängte die Regierung,
die Beschränkungen zu lockern, um sich vergrößern
und in anderen Bereichen tätig werden zu können. Die
bestehenden Beschränkungen verhinderten angeblich die Bildung
britischer Unternehmen, die groß genug seien, um sich erfolgreich
auf den zunehmend internationalisierten Märkten zu behaupten.
Desweiteren wurde die Tatsache, dass der globale Medienzar Rupert
Murdoch mit seinen Anteilen an BSkyB diesen Beschränkungen
allein deshalb nicht unterliegt, weil das Unternehmen ein Satellitensender
ist, als sehr ungerecht empfunden. Die britischen Medienunternehtnen
forderten das Recht ein, den Wettbewerb unter vergleichbaren
Bedingungen führen zu dürfen.
Die nackdrücklichsten Forderungen nach einer Lockerung
der strengen britischen Beschränkungen der Cross-Ownership
erhob die British Med1a Industry Group (BMIG), eine eigens für
eine solche Deregulierungskampagnen gegründete Interessengruppe.
Die BMIG wurde 1993 von führenden britischen Tageszeitungskonzernen,
wie Associated Newspapers (Daily Mail etc.), der Guardian Media
Group, der Telegraph Group und Pearson (Besitzer der Financial
Times), ins Leben gerufen. Auffällig durch ihr Fehlen in
dieser Gruppe war Rupert Murdochs News International. Die BMIG
legte ein Marktanteilemodell zur Messung von Medienmacht vor,
wobei der Marktanteil des einzelnen Unternehmens am gesamten
Medienmarkt des Landes (Presse, Radio und Fernsehen) zugrunde
gelegt wird. Nach diesem Modell wiesen nur zwei Unternehmen einen
relevanten Marktanteil am britischen Medienmarkt auf die BBC,
die aber per Regulierung verpflichtet ist, Vielfalt und Pluralität
des Programmangebots zu gewährleisten, und Rupert Murdochs
News International. Gemäß dem Marktanteilsmodell der
BMIG stellte also die Ausweitung von Cross-Ownerships durch alle
anderen Medienunternehmen keinerlei Bedrohung für Medienvielfalt
und -pluralität dar.
Die BMIG erreichte ihr Ziel: Das Ministerium für "National
Heritage" machte sich in seinem Grünbuch zu Besitzverhältnissen
im Medienbereich 1995 das Marktanteilsmodell zu Eigen, in das
Rundfunkgesetz 1996 ging eine abgeänderte Fassung ein. Die
Regierung stellte fest, es bestünde weiterhin ein Bedarf
an speziellen, über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus
reichenden Bestimmungen, um Medien-vielfalt zu gewährleisten.
Gleichzeitig sah die Regierung die Notwendigkeit, die bestehenden
Vorschriften über Medienbesitz zu liberalisieren. Der technologische
Wandel stelle die Unter-scheidungen zwischen verschiedenen Medien
in Frage. Vielfalt entstehe durch die starke Ausweitung der Medienmärkte.
Darüber hinaus dokumentierten sowohl das Grünbuch wie
auch das 1996 nachfolgende Rundfunkgesetz das Anliegen der Regierung.
das Heranwachsen international wettbewerbsfähiger Medienkonzerne
zu fördern und Investitionen in neue, zu fördernde
Technologien, wie etwa digitale Übertragungstechnik, zu
stimulieren.
Das Rundfunkgesetz von 1990 schaffte die Bestimmung ab, die
es Unternehmen verboten hatte, mehr als zwei Fernsehlizenzen
zu besitzen. Es lockerte auch die Bestimmungen über Cross-Ownership,
der über Jahre Eigentümern mit einem gewichtigen Anteil
in einem Mediensektor lediglich den Erwerb eienes einzelnen Anteils
von maximal 20% an einem anderen Medium erlaubt hatte. Das Gesetz
führte eine Reihe einfacher Bestimmungen ein, die den Unternehmen
ein umfassendes Diversifizieren im Medienbereich ermöglichten.
Sofern auf sie nicht mehr als 20 Prozent der nationalen Auflagenhöhe
entfällt ist es nun Zeizungskonzernen erlaubt, terrestrische
Fernsehsender zu kaufen, so lange diese in der Summe nicht einen
Zuschaueranteil von 15 Prozent am gesamten Fernsehmarkt überschreiten.
Die einzigen Pressekonzeme, deren Expansion durch diese Grenze
tatsächlich verhindert wird, sind Mirror Group Newspapaers
und News International (Murdoch). Allerdings erlaubt das Gesetz
diesen, in Kabel, Satellitenrundfunk und - am wichtigtten - digitales
Fernsehen hinein zu diversifizieren. In ähnlicher Weise
können sich nun Fernsehsender in den Pressesektor einkaufen
und innerhalb der elektronischen Medien - terrestrisch, Kabel,
Satellit, digital - diversifizieren. Letzteres jedoch nur so
weit, wie ihr Zuschaueranteil die 15 Prozent der gesamten Fernsehzuschauerzahl
nicht überschreitet (das gesamte Fernsehzuschauerpublikum
umfasst auch den Zuschaueranteil der BBC; das 15-Prozent-Limit
ist damit weniger einschränkend, als es auf den ersten Blick
scheint). Das Rundfunkgesetz von 1996 eröffnete United News
and Media, einer großen Zeitungsgruppe, die Möglichkeit,
mit der ITV Gesellschaft MAI zu fusionieren und ein weiteres
ITV-Unternehmen (HTV) zu erwerben. Darüber hinaus gestattete
das Gesetz Granada, bereits Besitzer von LWT, zusätzlich
die beiden ITV-Unternehmen Yorkshire/Tyne Tees TV und Border
TV zu erstehen. Durch die Gesetzgebung von 1996 kontrollieren
nun drei große Gruppen - Granada, Carlton und United News
and Media - in England und Wales fast den gesamten ITV~Sektor.
In Schottland erlaubte das Gesetz von 1996 dem Sender Scottish
TV, eine große Zeitungsgruppe zu erwerben, um zur Scottish
Media Group zu werden. Diese Gruppe hat Grampian TV, die andere
schottische ITV Gesellschaft gekauft.
Der nächste Schritt in Richtung "New Media"
oder zum Seitenanfang
Das Rundfunkgesetz von 1996 hat auch einen gesetzlichen Rahmen
für die Einführung digitalen Rundfunks geschaffen.
Für terrestrisches digitales Fernsehen sollte es demnach
sechs Frequenzkanäle (Multiplex-Kanäle) geben, auf
denen je drei bis vier, eventuell mehr einzelne Fernsehkanäle
Platz finden. Die BBC kann voll über einen kompletten Multiplex-Kanal
verfügen Channel 3 (ITV) und Channel 4 erhalten die gemeinsame
Kontrolle über einen weiteren Multiplex, und Channel 5 (s.u.)
sowie S4C in Wales ist der Zugang zu je einem weiteren Multiplex-Kanal
garantiert. Das Gesetz verfügt weiter, dass der verbleibende
Multiplex-Kanal durch die ITC zugeteilt werden sollte, wodurch
jene Bewerber bevorzugt würden, die die ITC für besonders
geeignet hält, die Entwicklung digitalen Fernsehens zu fördern
und ein besonders breites Spektrum neuer Programmdienste anzubieten.
Um die Investitionsmöglichkeiten zu maximieren, darf jedes
einzelne Unternehmen bis zu drei Multiplex-Kanäle betreiben,
und es gibt keine Beschränkungen des Cross-Ownership zwischen
Multiplex-Kanal-Anbietern, Rundfunkanbietern und den Anbietern
von Verschlüsselungs- und Abonnementsystemen für ,conditional
access'. Die Meinungs- und Programmvielfalt soll sichergestellt
werden durch die Begrenzung des erlaubten Marktanteils auf 15
Prozent (s.o.) sowie durch ein spezielles Punktesystem, das jeden
einzelnen Rundfunkanbieter auf einen maximalen Anteil von etwa
25 Prozent an den digitalen Programmdiensten beschränkt.
Der Bereich der ,conditional access'-Systeme bei digitalen Übertragungsverfahren
- also die Kontrolle über die entscheidenden Zugangssysteme
wie Verschlüsselungsverfahren und Abonnentenverwaltungssysteme
- wird von Oftel, der Aufsichtsbehörde für Telekommunikation
in Großbritannien, reguliert. Im Dezember 1996 veröffentlichte
Oftel ein Konzeptpapier, in dem es seine Pläne zur Sicherstellung
eines fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Zugangs
zu digitalen Übertragungssystemen umreißt. Seitdem
hat Oftel eine Reihe weiterer Mitteilungen und Richtlinien zu
diesem Thema herausgegehn.
Das Rundfunkgesetz von 1996 traf auch Vorkehrungen für
die Einführung digitalen Hörfunks (DAB) auf zwei nationalen
Multiplex-Kanälen, von denen einer der BBC zugewiesen wurde
(tatsächlich hatte die BBC bereits im September 1995 ihr
erstes digitales Programm in Betrieb genommen). Den drei unabhängigen
nationalen Radiostationen (INR) wurden Übertragungkapazitäten
auf anderen Multiplex-Kanälen garantiert; ein weiterer Multiplex-Kanal
wurde für lokale Dienste reserviert. Ein Unternehmen darf
nur ein nationales DAB-Programm und eine - in bestimmten Fällen
zwei - DAB-Programme auf einem lokalen Multiplex-Kanal betreiben.
Die Lizenzerteilung für DAB und die Aufsicht obliegt der
Radio Authority. Wiederum werden jene Bewerber bevorzugt, von
denen eine besondere Förderung der Entwicklung von DAB erwartet
wird. Ein weiteres Kriterium ist natürlich die Qualität
und Vielfalt der in Aussicht gestellten Dienste.
Anfang 1997 gaben zwei große Untemehmen bei der ITC ihre
rivalisierenden Gebote für die drei noch freien terrestrischen
FernsehMultiplex-Kanäle ab, die nicht für einen der
bereits existierenden terrestrischen Rundfunkanbieter (BBC, ITV
etc.) reserviert waren. Ein Gebot erfolgte durch British Digital
Broadcasting (BDB), einer Allianz aus drei der ein-flussreichsten
und erfahrensten Rundfunkanbieter Großbritanniens. BDB
war ein Konsortium aus den zwei größten ITV-Firmen
Carlton Communications (Inhaber der Central- und Carlton Channel
3-Konzessionen) und der Granada Group (Inhaber der LWT- und Granada
Channel 3-Konzessionen) sowie BSkyB, Großbritanniens führendem
Satellitenfernsehanbieter (jedes Unternehmen hält ein Drittel
von BDB). Darüber hinaus wollte die BBC mehrere Kanäle
zu BDB beisteuern. Das zweite Gebot wurde vorgelegt von Digital
Television Network (DTN), Großbritanniens erlolgreichstem
Kabelunternehmen, im Besitz der amerikanischen CableTel. Im Sommer
1997 teilte die ITC die Multiplex-Kanäle BDB zu, machte
jedoch zur Voraussetzung, dass sich BSkyB aus dem Konsortium
zurückzieht, um so eine exzessive Medienkonzentration zu
vermeiden. BSkyB wurde jedoch gestattet, BDB weiterhin Programme
zuzuliefern.
Anfang Oktober 1998 startete BSkyB eine eigene digitale Satellitenplattform
namens Sky Digital. Bis Mai 1999 zählte BSkyB 551.000 Abonnenten
digitaler Angebote und war auf dem besten Weg, das Ziel von einer
Million am Ende des ersten Betriebsjahres zu erreichen. Der Service
von BDB. ONdigital genannt, wurde Mitte November 1998 in Betrieb
genommen. Bis April 1999 verzeichnete ONdigital 110.000 Abonnenten;
allein im Monat März kamen mehr als 30.000 hinzu. Im Mai
1999 heizte BSkyB den Wettbewerb mit der Ankündigung an,
zukünftig digitale TV-Set-Top-Boxen an neue Abonnenten zu
vergeben. Auch würde BSkyB - als Bestandteil des Werbepakets
- einen großzügigen Nachlass für alle Standardtarif-Telefongespräche
und freien Zugang zum Internet anbieten. Außerdem kündigte
BSkyB an, die analoge Übertragung bis zum 31.Dezember 2002
zu beenden. Die prompte Reaktion von ONdigital war, ebenfalls
die kostenlose Vergabe von digitalen Set-Top-Boxen und die Abschaffung
von Installationsgebühren anzukündigen. Sky Digital
und ONdigital sind darauf erpicht, sich eine breite Abonnentenbasis
zu schaffen, bevor sich die Konkurrenz durch den bevorstehenden
Start des digitalen Kabelfernsehens weiter verschärft.
Der fünfte terrestrische Kanal oder zum
Seitenanfang
Im März 1997 ging eine neue private, werbefinanzierte
Fernsehstation mit Namen Channel 5 erstmals auf Sendung. Das
Rundfunkgesetz von 1990 hatte die ITC verpflichtet, einen neuen
terrestrischen Fernsehdienst einzurichten. Allerdings war seither
dessen Einführung von Rückschlägen überschattet
gewesen. Die Lizenz wurde erstmals im April 1992 ausgeschrieben,
worauf lediglich ein Gebot erfolgte - Ausdruck der Skepsis der
Branche, ob ein weiterer werbefinanzierter Kanal überhaupt
überlebensfähig sei, zumal der Sender anfangs nur 70
Prozent der Bevölkerung würde erreichen können
und selbst hierzu eine erhebliche Zahl von Videorecordern in
den Haushalten hätten neu eingestellt werden müssen,
um Interferenzen auszuschalten. Die ITC verwarf das vorliegende
Gebot, da sie das in Ausgicht gestellte Investitionsvolumen als
zu gering ansah. Nach einer weiteren Verzögerung schrieb
die ITC die Lizenz neu aus und vergab sie im Qktober 1995 an
Channel 5 Broadcasting. Dies war ein Konsortium bestehend aus
Pearson (Besitzer der Financial Times) und zwei anderen großen
Medienkonzernen, der British United News and Media-Konzern und
CLT-Ufa. Wie oben erwähnt, ermittelte die ITC für das
am 31.März 1999 endende Jahr für Channel 5 einen Zuschaueranteil
von 4,6 Prozent der gesamten Zuschauerschaft Großbritanniens.
1998 schalteten wöchentlich über 20 Mio. Zuschauer
den Sender ein. In den ersten neun Monaten des Betriebs wurden
die geplanten Einnahmen von 80 Mio.£ um 3 Mio.£ übertroffen.
Der Sender hatte ein jährliches Programmbudget von 110 Mio.£
Die Zukunft der BBC oder zum Seitenanfang
Im April 1996 billigte das Parlament die Erneuerung der BBC-Satzung
auf zehn Jahre. Die neue Satzung trat am 1. Mai 1996 in Kraft
und stellte, zusammen mit der Regierungsgarantie der weiteren
Gebührenfinanzierung, die unmittelbare ~ Zukunft der BBC
sicher. (Tatsächlich war die Satzungserneuerung durch das
Weißbuch 1994 vorweggenommen worden). Die Erneuerung der
Satzung markierte eine auffällige Wende im Schicksal der
BBC während der 90er Jahre. Die Thatcher-Ära der 80er
Jahre war für die BBC ein Jahrzehnt der Unsicherheit gewesen,
und auch Anfang der 90er Jahre wurde noch viel über die
Zukunh der BBC spekuliert. Marktliberale stellten die Zukunft
der Fernsehgebührenfinanzierung in Frage, und einige erwarteten
sogar letztlich die Privatisierung oder Teil-Privatisierung der
BBC. Der bemerkenswerte Umschwung im Schicksal der BBC war nur
teilweise die Folge des moderateren Kurses der Major Regierung
(1991-1997) verglichen mit dem Margaret Thatchers (1979-1991);
die BBC selbst bzw. ihr eigenes Management wurde zum Architekten
der eigenen Rettung.
Unter der Führung des 1992 ernannten Generaldirektors
John Birt schritt das BBC-Management auf seinem Rationalisierungspfad
weiter, den es bereits unter dem Vorgänger Birts, Michael
Checkland, beschritten hatte. Die erste grundsätzliche Neuerung
war die Einführung des kontroversen Systems namens "Producer
Choise", das eine Art internen Markt innerhalb der BBC etablierte.
Demgemäß durften Produzenten ihre Produktionseinrichtungen
innerhalb oder, wenn de billiger waren, auch außerhalb
der BBC frei aussuchen. Diese und andere Rationalisierungsmaßnahmen
waren innerhalb der BBC außerordentlich unpopulär.
Das BBC-Management behauptet allerdings, durch effizientere Arbeitspraktiken
während der letzten fünf Jahre mehrere Hundert Mio
£ eingespart zu haben, wodurch Ressourcen für die
Programmproduktion und für Investitionen in neue Dienste
wie die digitale Übertragung frei geworden seien.
Eine weitere Entwicklung war die Zunahme der geschäftlichen
Aktivität der BBC. Schon immer hatte sie Programmpakete
und Programmrechte international verkauft. 1994 wurde BBC-Worldwide
gegründet, um die geschäftlichen Aktivitaten der BBC
noch zu intensivieren. 1995 wurden zwei internationale Fernsehprogramme
gestartet: ein durch Abonnements finanzierter allgemeiner Unterhaltungskanal,
BBC Prime, und ein werbefinanzierter Nachrichtenkanal, BBC World.
Ein Weißbuch der Regierung 1994 mit dem bezeichnenden Titel
"The Future of the BBC: Serving the Nation, Competing World
Wide" ermutigte die BBC ausdrücklich zur Ausweitung
ihrer geschäftlichen Aktivitäten. Darüber hinaus
erlaubte die neue Satzung der BBC, mehr kommerzielle Dienste
anzubieten, so lange deren Finanzierung klar von den Fernsehgebühren
abgetrennt erfolgt.
Im Juni 1996 hat die BBC eine grundlegende Reform ihrer Organisationsstruktur
vorgenommen, wobei sechs Abteilungen gebildet wurden: Programmplanung
und -beschaffung, Produktion, Finanzen, Nachrichten und Aktuelles
(Zeitgeschehen), BBC Worldwide und das BBC corporate center (Verwaltung).
Dies sorgte für einige Kontroversen, weil es die Autonomie
von BBC Radio beendete und den sehr geschätzten BBC World
Service der kommerziell ausgerichteten Abteilung von BBC Worldwide
zuordnete. Zwar sollte der World Service als Unterabteilung weiter
existieren, er würde jedoch seine traditionelle Autonomie
einbüßen und alle seine Programme, bis auf die fremdsprachigen,
innerhalb der BBC "einkaufen" müssen, vor allem
von der Abteilung "Nachrichten und Aktuelles (Zeitgeschehen)".
Entsprechend sollte die Mitarbeiterzahl von gegenwärtig
2.000 Beschäftigten halbiert werden. Allerdings war das
Hauptziel der Reorganisation nicht, BBC Radio und den World Service
zu reformieren - es war eher die logische Folge der Etablierung
eines "Binnenmarktes" Innerhalb der BBC. Die Trennung
der Verwertung von der Produktion zielte vor allem darauf ab,
angesichts der Herausforderungen des digitalen Zeitalters einen
effizienteren Einsatz von Mitteln zu gewährleisten.
Im November 1997 ging BBC News 24 auf Sendung, das erste digitale
Fernsehprogramm der BBC, das nachts auch auf BBC1 zu empfangen
ist. Im Laufe des Jahres 1998 rief die BBC zwei weitere, frei
zu empfangende digitale Programme ins Leben: das Vollprogramm
BBC Choice und BBC Parliament. Im Juni 1999 schließlich
startete die BBC BBC Knowledge, ein der Bildung gewidmetes Programm.
Darüber hinaus hat sich BBC Online sowohl als normale Website
als auch als aktiver Kanal für Internet Explorer 4 als bedeutende
Internet-Seite in Europa etabliert.
BBC Worldwide hat die Bandbreite der Joint Ventures mit privaten
Unternehmen (z. B. BBC World und BBC Prime - s.o.) ausgedehnt:
1997 wurde eine Zusammenarbeit mit der privaten amerikanischen
Firma Flextech beschlossen, um verschiedene über Werbung
und Abonnements finanzierte Kabel- und Satellitensender zu betreiben,
die Musik und Kunst, Wiederholungen von BBC-Programmen, Dokumentationsserien,
naturgeschichtliche Programme und Ähnliches abdecken sollen.
1998 verpflichtete sich BBC Worldwide zu einer weiteren Zusammenarbeit
mit dem US-amerikanischen Kabelkanal Discovery Channel. Die neue
kommerzielle Ausrichtung der BBC sollte jedoch im Verhältnis
betrachtet werden: Im Geschäftsjahr 1998/99 brachte BBC
Worldwide der BBC 81 Mio. £ ein (1997/98: 75 Mio. £).;
die Gebühreneinnahmen der BBC betrugen im selben Zeitraum
knapp über 2 Mrd.£. Trotz dieser auf den ersten Blick
immensen Summe hat die BBC deutlich machen können, dass
es in der Tat wiederholter Anhebungen der Rundfunkgebühren
(in stärkerem Maße als die Inflationsrate) bedarf,
wenn sie ihrem Anspruch, ein umfassendes öffentlich-rechtliches
Programm anzubieten, auch im digitalen Zeitalter gerecht werden
soll. Allein die Einführung eines 24 Stunden-Nachrichten-Senders
für das digitale Femsehen verursachte der BBC jährliche
Kosten von geschätzten 30 Mio. £. Zudem wurde die
BBC mit den beträchtlichen Kosten konfrontiert, die die
notwendige Präsenz im Internet mit sich bringt. Gleichzeitig
sind die Kosten für konventionelle Übertragungen schneller
als die durchschnittliche Inflationsrate gestiegen. Insbesondere
die sich rapide in die Höhe schraubenden Kosten für
Senderechte an populären Sportereignissen bereiten der BBC
seit einigen Jahren Sorgen: Im Laufe der 90er hat die BBC die
Live-Übertragungsrechte für die Premier-League im Fußball
an BSkyB verloren, die Rechte für Fommel-Eins-Rennen an
ITV, und kürzlich noch die Live-Übertragungsrechte
für Cricket-Testspiele an Channel 4. Während die BBC
für Erhöhungen der Rundfunkgebühren (über
die Inflationsrate hinaus) eintrat, hielt die Kritik an der angeblich
privilegierten, geschützten Stellung der BBC an. So argumentierte
Rupert Murdoch 1998 auf der European Audiovisual Conference in
Birmingham, dass die BBC "bei weitem der größte
Medienbesitzer in Großbritannien" sei, Nutznießer
eines "garantierten Einkommens von 2 Mrd. £ ... und
einer unermesslichen ökonomischen Freiheit".
Der Kultusminister der New Labour-Regierung, Chris Smith,
hat stets sehr klar die Position vertreten, dass die BBC in der
digitalen Multi-Kanal-Zukunft auch weiter eine äußerst
wichtige Rolle spielen wird. Smith zufolge sei "der Nutzen
gar nicht hoch genug zu bewerten, den Großbritannien daraus
zieht, die BBC als eine Bastion des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks zu haben, die in der Lage ist, in einer zunehmend multi-kanalisierten
Welt weiter als eine Garantie für Qualitätsrundfunks
zu fungieren ...". Smith pries den Beitrag, den die BBC
zum kulturellen Leben der Nation und die Herausbildung grundlegender
Fachkenntnisse im Bereich der Rundfunkindustrie geleistet habe25.
Bislang hat Chrh Smith jedoch die Formel der vorigen konservativen
Regierung für die Fernsehgebühren beibehalten, nach
der die Erhöhung der Gebühren in der Fünfjahresperiode
1997-2002 insgesamt geringfügig unter dem Preisindex des
Einzelhandels bliebe (dementsprechend wurde die Gebühr für
Farbfernsehen ab 1. April 1999 auf 101 £ pro Jahr und die
Gebühr für Schwarzweißfernsehen auf 33.50 £.
Smith hat außerdem einen Ausschuß eingerichtet, der
die künftige Finanzierung der BBC untersuchen und Wege erkunden
sollte, wie die Lizenzgebühr durch andere Einkommensquellen
ergänzt werden könne, wobei die langfristige Finanzierung
der BBC berücksichtigt und die Frage nach der Balance zwischen
den öffentlich-rechtlichen und den kommerziellen Aktivitäten
der BBC bedacht werden sollte. Der Auschuss hat Minister Smith
Ende Juli 1999 Bericht erstattet. In dem Bericht wurde vorgeschlagen,
dass jeder Zuschauer digitalen Fernsehens jährlich £24
zusätzlich zur Fernsehgebühr zahlen solle. Das derart
entstehende Einkommen könnte die Entwicklung der digitalen
Angebote der BBC finanzieren. Der von New Labour als Vorsitzender
des Ausschusses ernannte bekannte Stadtökonom Gavyn Davies
war übrigens Mitautor eines jüngst erschienenen Buches,
das durch die neuen Technologien einen steigenden, keinen abnehmenden,
Bedarf nach einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht.
Rundfunkregulierung in der Ära der Konvergenz oder
zum Seitenanfang
Rundfunkpolitiker sind zunehmend beschäftigt mit dem
Thema Konvergenz von Medien, Telekommunikationswesen und Informationstechnologie
(IT). Die Ansichten über die Auswirkungen der Konvergenz
auf die Regulierung gehen weit auseinander. Einige Politikberater
haben empfohlen, angesichts der Konvergenz der Kommunikationsbereiche
auch die Kontrollorgane zu verschmelzen. So sollten Organe wie
die Independant Television Comission ITC (für den Rundfunk)
und die Oftel (Telekommunikation) zu einer einzigen Institution
für den gesamten Kommunikationssektor zusammengelegt werden,
einer "Ofcom". In einigen Industriekreisen wird dies
zweifellos als Vorwand zu einer weiteren Deregulierung des Rundfunks
betrachtet, hin zu einem Rationalisierungsmaßnahme, die
notwendig wird, um die Autorität der Kontrollbehörden
zu stärken, wenn andere Spannungen drohen, sie zu schwächen.
So wurde vorgeschlagen, "dass ein alleiniges, sowohl mit
der Übertragung als auch mit den Inhalten betrautes Kontrollorgan
ein effektives Gegengewicht bilden könne zu den riesigen
Unternehmen, mit deren Überwachung es beauftragt wurde."
Das Komitee für Kultur, Medien und Sport des Unterhauses
hat angesichts der "Verflechtung von technologischen und
kulturellen Faktoren in den Bereichen Medien und Informationstechnologie
für die Einrichtung eines "eigenen Kommunikationsministeriums"
plädiert. Im Dezember 1997 haben die Generaldirektoren für
Industrie und Telekommunikation (DG XIII) und für Kultur
und Rundfunk (DG X) der Europäischen Kommission gemeinsam
ein Grünbuch zum Thema Konvergenz erstellt, das eine lebhafte
Debatte über die zukünftige Richtung der Gesetzesreform
hervorrief. Dieses Grünbuch wurde von einigen dahingehend
kritisiert, dass es die großen ökonomischen Auswirkungen
einer Reform der Regulierung zu sehr betone, hingegen der sozialen
und öffentlich-rechtlichen Seite nicht genügend Aufmerksamkeit
zolle. Rupert Murdoch hat das Grünbuch andererseits "mit
seiner Betonung marktorientierter Lösungen und des Wettbewerbsgesetzes
als positiven ersten Schritt in der Entwicklung der Politik"
begrüßt.
Im Juli 1998 hat die New Labour-Regierung in einem, gemeinsam
von dem Ministerium für Handel und Industrie (DTI) und dem
Ministerium für Kultur, Medien und Sport (DCMS) herausgegebenen
Informationsbericht unter dem Titel "Regulating Communications:
Approaching Convergence in the Information Age" ihre eigenen
"vorläuflgen Ansichten und Überlegungen über
die wahrscheinlichen Konsequenzen der digitalen Konvergenz für
die den Rundfunk und das Telekommunikationswesen betreffenden
Rechts- und Kontrollsysteme" dargelegt. Die Regierung maß
folgenden Zielen besondere Bedeutung bei: den Interessen des
Konsumenten zu dienen, den allgemeinen Zugang zu Diensten zu
erschwinglichen Preisen zu unterstützen, den Wettbewerb
und die industrielle Konkurrenzfähigkeit zu bewahren, Qualität,
Pluralität, Vielfalt und Auswahl zu fördern, Investitionen
in Dienstleistungen und Infrastruktur zu ermutigen sowie die
knappen Mittel effizient zu verwalten. Das Grünbuch befürwortete
die behutsame statt einer radikalen Reform. Es w1rd eindeutig
konstatiert: "Bevor wir eine falsche Entscheidung treffen,
und entweder unsere Regelungsstrukturen über den Haufen
werfen oder dem Status quo verhaftet bleiben, verfolgen wir lieber
einen evolutionären Pfad, um sicherzustellen, dass die Behörden
bei der Regelung von Überschneidungen und UnrechtmäBigkeiten
kooperieren." Das Grünbuch drückt die Auffassung
der Regierung aus, dass das derzeitige Kontrollsystem "genügend
Flexibilität (besitzt), um unseren Zielen für einige
Zeit gerecht zu werden", fasste aber auch eine Reihe möglicher
Modelle "für eine etwaige neue Struktur der Regulierung"
ins Auge:
- separate Kontrollorgane für die Infrastruktur und für
die Programmproduktion;
- separate Organe für Wirtschafts- und Wettbewerbsangelegenheiten
einerseits und für kulturelle und inhaltliche Fragen andererseits;
- eines dieser beiden oder andere mögliche Modelle unter
dem Dach einer koordinierenden Körperschaft, die beide Bereiche
der Kontrolle umfasst (und möglicherweise mehrere Kontrollorgane
im Bereich Inhalt/Kultur einschließt), um so Kohärenz
und Konsistenz zu gewährleisten;
- eine einzige vollständig integrierte Behörde,
deren interne Organisation entlang der in den ersten beiden Punkten
vorgeschlagenen Linien gegliedert werden könnte.
Im Juni 1999 veröffentlichte die Regierung die Ergebnisse
ihrer Konsultation über das Grünbuch zur Konvergenz:
Die Antworten der Befragten unterstützten im Allgemeinen
den "evolutionären Ansatz" der Regierung und erachteten
die bestehenden Regulierungsstrukturen im Moment für ausreichend
flexibel befunden. Auf lange Sicht, heißt es im Report,
gebe es keinen eindeutigen Konsens zugunsten eines bestimmten
Regulierungsmodells; viele meinten, dass es dafür noch zu
früh sei".
Frühe Ankündigung des Endes des analogen Rundfunks
oder zum Seitenanfang
Die New Labour-Regierung ist ebenso enthusiastisch wie ihre
konservative Vorgängerin in Bezug auf die langfristigen
wirtschaftlichen Möglichkeiten, die der digitale Rundfunk
bietet. DCMS-Minister Chris Smith sieht sich allerdings einer
großen Herausforderung gegenüber. Wie können
dem digitalen Markt die richtigen Start-lmpulse verliehen werden?
Wie können die Konsumenten überzeugt werden, dass sie
noch mehr Fernsehprogramme brauchen als ihnen bisher schon über
analoge Satelliten- und Kabelsysteme wie BSkyB zur Verfügung
stehen? Im Mai 1998 forderte das Komitee für Kultur, Medien
und Sport des Unterhauses die Regierung auf, die geplante Einstellung
des analogen Fernsehens bis 2010 anzukündigen, ab dann sollen
alle Übertragungen digital sein. Die analogen Frequenzen
könnten dann für andere Zwecke, wie den Mobilfunk,
verkauft werden. Auch die am digitalen Fernsehen Beteiligten
befürworten einen möglichst frühen Termin für
die Beendigung des analogen Rundfunks. Minister Chris Smith gab
daraufhin den Wirtschaftsberatern National Economic Research
Associates (NERA) den Auftrag, "eine ökonomische Einschätzüng
des Wandels vom Analogen zum Digitalen zu erstellen und zu untersuchen,
welche Wirkung verschiedene Regierungsstrategien auf ein Ausschalten
der analogen Übertragung in 5, 10 und 15 1ahren hätten".
Der im Februar 1998 von dem Ministerium für Kultur, Medien
und Sport veröffentlichte Bericht der NERA kam zu dem Schluss,
dass die Einstellung analoger Übertragungen in einem Zeitraum
von 10 bis 15 Jahren, also zwischen 2008 und 2013 durchführbar
wäre. Der Bericht wies auf eine Reihe von Vorteilen hin,
die eine frühe Bekanntmachung des Ausschaltdatums der analogen
Übertragung mit sich brächte, namentlich eine schnellere
Preissenkung für digitale Empfangsgeräte und einen
entsprechend ansteigendes Interesse bei den Konsumenten. Nach
einer Beratungsphase hat die Rundfunkministerin Janet Anderson
bekräftigt, dass die Regierung das Umschaltdatum gern früh
bekannt geben möchte, "um der Industrie und den Konsumenten
Sicherheit für ihre Investitions- und Kaufentscheidungen
zu bieten." Die Regierung hat jedoch klargestellt, dass
die analogen Angebote nicht abgestellt werden, bevor nicht eine
"überwältigende Mehrheit" der Bevölkerung
einen Zugang zu digitalen Diensten verfügt. Währenddessen
plant BskyB, wie schon erwähnt, seine analogen Satellitenübertragungen
bis Ende 2002 einzustellen.
Das Internet oder zum Seitenanfang
Dem Statistischen Jahrbuch 1998/99 der Europäischen Audiovisuellen
Informationsstelle zufolge gab es 1997 in Großbritannien
1,5 Mio. Haushalte mit einem Internetanschluss, 67 Prozent mehr
als im Vorjahr. Dieses beeindruckende Wachstum hat sich fortgesetzt:
Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Bericht neueren Datums
führt zwei verschiedene Erhe-bungen an, die beide die Zahl
der britischen Staatsbürger, die 1998 das Internet nutzten,
bei etwa 8 Millionen ansetzen. Diese Zahl berücksichtigt
allerdings auch die Nutzung am Arbeitsplatz. Gestützt auf
eigene Umfragen schätzt der Bericht, dass rund 40 Prozent
der britischen Internet-Nutzer am Arbeitsplatz über den
Zugang verfügten, rund 32 Prozent zu Hause (mit gewissen
Überschneidungen zwischen den beiden), und der Rest in Schulen,
Universitäten, Bibliotheken, Internet Cafes und bei Freunden.
Das Potetial für private Anschlüsse ist enorm, etwa
ein Drittel der Haushalte besitzt einen PC. Der Bericht nennt
die Zahl von 260 Internet-Anbietern (Internet Service Providers
- ISP) in Großbritanninen im Jahr 1998. Im zweiten Viertel
des Jahres 1998 waren die Top Ten der Anbieter nach der Zahl
ihrer Abonnenten: CompuServe (20,75% Marktanteil), AOL (20,5%),
Demon (9,25%), Microsoft Network UK (7,0%), BT Internet (6,0%),
Virgin Net (5,0%), LineOne (3,75%), Global Internet (3,75%),
UUNET Pipex Dial (2,5%) und EasyNet Group (2,12%). Im November
1998 revolutionierte Dixons, die britische Handelskette für
Elektrowaren, die Bedingungen für den Internetzugang, indem
sie mit Freeserve einen Anbieter schuf, der einen kostenlosen
Zugang ermöglicht. Innerhalb von sechs Monaten registrierte
Dixons Freeserve mehr als eien Million Kunden. Die Kunden von
Freeserve bezahlen keine Abonnementsgebühr, sondern nur
die Kosten der lokalen Telefonate, die sie mit dem Internet Verbinden.
Postwendend boten auch einige andere Unternehmen einen kostenlosen
Internetzugang an, unter ihnen die British Telecom (BT) und WH
Smith. Verlautbarungen zufolge macht die BT als Hauptvermittler
lokaler Telefonate noch immer mehr Geld mit dem Internet als
alle anderen britischen Untenehmen. 1998/99 verdoppelte sich
der Anteil de. Internetverkehrs an den lokalen Telefonaten der
BT von 9 auf 18 Prozent und brachte so 500 Mio. £ Umsatz
für Großbritanniens führende Telefongesellschaft.
Laut jüngstem Statistischen Jahrbuch waren 1999 fast 1,5
Mio. britische Server mit dem Internet verbunden, ein 39-prozentiger
Anstieg seit 1998. Eine der bestbesuchten Web-Sites ist die der
BBC (http //www.bbc.co.uk), die im März 1998 Mio. Besuche
regisitrierte.
Der britische Weg, den Inhalt zu kontrollieren, ist der der
Selbstregulierung. Es wurde eine Zusammenarbeit zwischen dem
Home 0ffice, der Polizei und den zwei Handelsorganisationen der
Anbieter von Internetdiensten in Großbritannien, der "Internet
Service Providers' Assoctation (ISPA) und der London Internet
Exchange (LINX), entwickelt. Ein Aktionsplan entwarf das "R3-Safety
Net approach", wobei die drei R-Faktoren für Responsibility,
Rating und Reporting stehen, also für die Verantwortung
auf Seiten der Inhaltsanbieter und auch der Serviceanbieter,
für die Einstufung des Inhalts und die Meldung illegaler
Inhalte bei einem unabhängigen Organ, der Internet Watch
Foundation (IWP), die von den ISP gegründet wurde. Die IWP
ist zuständig für die Einstufungsstandards. Die britischen
Gesetze sehen alle Inhalte im Internet als publiziertes Material
an, das somit den Gesetzen über die Veröffentlichung
obszöner Inhalte, zum Jugendschutz und über Verleumdung
unterliegt. Allerdings können sich die Internet-Anbieter
aufgrund des speziellen Charakters des Mediums auf die Rechtfertigung
der "unverschuldeten Verbreitung" berufen, um sich
der Haftung zu entziehen, solange sie selbst nicht über
Kenntnis des Inhalts verfügen. Die Aufgabe der IWF ist es,
sie über die Existenz jeglichen illegalen Materials zu informieren.
Die IWP gibt außerdem Berichte über potenziell illegales
Material an die Metropolitan Police weiter, wenn das Material
aus Großbritannien stammt, bzw. an den National Criminal
Intelligence Service, wenn die Inhalte aus dem Ausland kommen.
Im Februar 1999 publizierte die Regierung eine Beurteilung der
Arbeit der IWF durch unabhängige Berater, die sich lobend
über den bisherigen Erfolg der IWF äußern, aber
auch die Notwendigkeit ansprachen, das öffentliche Bewusstsein
für die Existenz der IWF zu steigern40. Generell wird von
den Internetanbitern erwartet, in eigener Verantwortung Selbstkontrolle
durchzuführen und mit den Behörden zu kooperieren,
wenn sie von Illegalen Aktivitäten wissen.
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